Erreichen des Prädikatsexamens: die optimale Examensvorbereitung

Ein Beitrag von Pascal Lippert

 

Optimierung der Examensvorbereitung - Welche weichen Faktoren begünstigen juristische Exzellenz?

Der Abschluss mit einem Prädikatsexamen - am besten zwei Mal - ist das Ziel aller angehenden Juristinnen und Juristen. Für viele erscheint ein solch überdurchschnittliches Abschneiden allerdings nahezu unerreichbar. Juristische Staatsexamina dürften zu den anspruchsvollsten Prüfungen gehören, denen sich Studierende in Deutschland stellen können. Woran liegt es, dass der Durchschnitt bei circa sechs Punkten und damit einem Ausreichend liegt? Wo liegen die individuellen Schwächen? Was kann jeder tun, um seine Chancen auf ein überdurchschnittliches Abschneiden oder gar ein Prädikatsexamen zu verbessern? Welche weichen Faktoren jenseits des reinen Wissens sind essentiell für juristische Exzellenz? Hier dazu fünf Tipps für eine optimale Examensvorbereitung:

 

1. Struktur ist der wesentliche Faktor für juristische Exzellenz

Struktur ist „Key“ für überdurchschnittliche Leistungen. So früh wie möglich in der eigenen juristischen Ausbildung sollte strukturiertes Denken und eine strukturierte Darstellungen in den schriftlichen Arbeiten etabliert und vor allem stetig weiterentwickelt werden. Häufig reduziert sich der Faktor „Struktur“ jedoch auf das Auswendiglernen und ein liebloses Abarbeiten von Prüfungsschemata in den Klausuren. Das greift jedoch viel zu kurz. Wichtig ist, dass verstanden wird, weshalb sich Prüfungsschemata etabliert haben. Hilfreich dafür ist es, den Stoff nicht mit Kurzlehrbüchern, sondern mit fundierterer Literatur wie großen Standardkommentaren oder klassischen Lehrbüchern zu vertiefen. Auch Urteilen der Obergerichte, die exemplarisch für eine Rechtsprechung stehen, können Hintergründe entnommen werden. Urteilsbesprechungen in Fachzeitschriften helfen beim Verständnis ebenso. Wer in Klausuren bisher einen Textkörper ohne oder sehr wenigen Gliederungsebenen abgeliefert hat und mit der Benotung hinter den Erwartungen geblieben ist, sollte zukünftig vor dem Schreiben eine detaillierte Lösungsskizze mit Gliederungsebenen fertigen und diese beim Schreiben übernehmen. Auch dies stärkt die Fähigkeit, strukturierter zu denken und juristische Falllösungen auf hohem Niveau zu fertigen. 

 

2. Nicht nur Definitionen lernen, sondern das Wissen dynamisieren

Besonders wichtig ist, dass der Stoff anders als in der Schule im Studium schon früh nicht schlicht auswendig gelernt, sondern bezogen auf die Subsumption in Gutachten hin „algorithmisiert“ wird. Als Beispiel kann der Vorsatz im Strafrecht dienen, dessen Bedeutung nicht allein aus der Definition „Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung“ umfänglich abgeleitet werden kann. Ein Muster wie dieses enthält Hintergründe, die bei der Bearbeitung helfen können: a) Zur Bewertung, ob ein Handeln vorsätzlich erfolgt, müssen unbedingt zwei Aspekte der sogenannten inneren Tatseite bewertet werden. Zum einen ein intellektuelles Moment, also kennt der Täter alle Umstände? Zum anderen ein voluntatives Element, also will der Täter deren Verwirklichung. b) Beide Elemente können in verschiedenen Stufen auftreten. Es gibt also nicht nur „Wollen“ oder „Nicht-Wollen“ sondern auch „das unbedingte Wollen“ oder das „billigend in Kauf nehmen“, letzteres geht häufig damit einher, dass der Täter etwas anderes als den Taterfolg unbedingt will und der Taterfolg nur eine nicht notwendige Nebenfolge ist - quasi ein „Kollateralschaden“. c) Der Vorsatz ist rechtswissenschaftlich in der Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit interessant. Entsprechende Grenzfälle gilt es genauer zu betrachten. Sie können niemals knapp und pauschal behandelt werden. Die Auswirkung ist für die Strafbarkeit elementar. d) Die Prüfung in einem Gutachten muss „Wissen“ und „Wollen“ streng trennen. Mit einer solchen Anweisung kann das Wissen quasi dynamisiert werden. Es fällt dann leichter, eine fundierte gutachterliche Prüfung daraus abzuleiten, als wenn nur eine Definition oder Beispiele auswendig gelernt werden. Zusammenhänge zu verstehen ist reinem Auswendiglernen vorzuziehen.

 

3. Immer an den sprachlichen Fähigkeiten arbeiten

Der souveräne Umgang mit der eigenen Sprache ist Voraussetzung für überdurchschnittliche Leistungen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass in der Ausbildung und auch bei den Prüfungen unnötig manierierte Formulierungen verwendet werden. Oft wird auch der in den ersten Semestern zunächst entwickelte Umgang mit der Sprache später nicht mehr hinterfragt. Dies führt dazu, dass Defizite mitgeschleppt werden und eine Verbesserung unterbleibt. Häufig werden Definitionen einfach auswendig gelernt, statt die wertungsleitenden Elemente daraus frei zu formulieren. Als Übung kann empfohlen werden, Teile juristischer Gutachten wie z.B. die Prüfung des Vorsatzes im Strafrecht in unterschiedlichen Varianten zu formulieren. Dabei kann darauf geachtet werden, einmal alles nur mit Hauptsätzen zu formulieren, dann ein weiteres Mal maximal einen Nebensatz in der Konstruktion zuzulassen. Damit sich keine Oberflächlichkeit einstellt, ist es wichtig, Merkmale mit variabler Begründungstiefe zu definieren und zu subsumieren. Als Übung dafür kann dienen, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt für verschiedene Alltagssituationen oder Personengruppen zu bestimmen. Zum Beispiel die Sorgfaltspflichten des Lehrers beim Sportunterricht, der Ärztin beim Behandeln einer Platzwunde oder des Hundehalters beim Gassigehen im Park. Wer dies in zwei unterschiedlich umfangreichen Varianten macht, wird davon auch in anderen Gebieten profitieren.

 

4. Nicht auf falsche Mythen hereinfallen

Wer überdurchschnittliche Leistungen anstrebt, sollte einige Fallen der Bequemlichkeit umschiffen. Allen voran der sprichwörtliche „Mut zur Lücke“, das „Minimax-Prinzip“ und „Lernen-auf-den-letzten-Drücker“. Die Kernbereiche der drei großen Rechtsgebiete und auch der jeweiligen Wahlfächer dürfen nicht stiefmütterlich behandelt werden. Durch diesen Stoff müssen alle, die überdurchschnittlich abschließen wollen, schlicht durch. Weiterhin gilt: „Es gibt keine Abkürzungen.“ Mit minimalen Aufwand sind - anders als in anderen Lebensbereichen - keine maximalen Ergebnisse zu erzielen. Es ist wie beim Marathon. Zum Ende hin braucht es Durchhaltevermögen. Je mehr der Stoff als interessant und nicht als lästig empfunden wird, desto leichter hält man durch. Kontinuierliches Lernen mit Spaß an der Materie ist daher der Schlüssel zum Erfolg. Es mag bei anderen Studiengängen eine erfolgreiche Strategie sein, vor Prüfungen sich auf Nachtschichten und ein gutes Kurzzeitgedächtnis zu verlassen. Das funktioniert bei juristischen Staatsexamina aufgrund der Themenoffenheit schlicht nicht. Mehrere Wiederholungszyklen mit jeweiliger Aktualisierung des Stoffes sind beim Lernen unerlässlich. Es muss schon früh im Studium eine Routine für Wiederholung und Vertiefung etabliert werden. Wer zu lange damit wartet, hat es schwerer.

 

5.  Klausuren durch die Augen der Prüfenden sehen

Es sollte stets strategisch an die Prüfungen herangegangen werden. Es geht nicht darum, einfach nur einen Fall zu lösen. In den juristischen Prüfungen werden konstruierte Fälle gestellt, deren gutachterliche Lösung eine Notengebung ermöglichen soll. Das sind keine Praxisübungen. Bewertet wird nicht das gefundene Ergebnis als solches, sondern die Durchdringung der Dogmatik und die Ableitung der gefundenen Ergebnisse. Rechtswissenschaft ist eine Wertungswissenschaft. Das bedeutet, es gibt kein Richtig oder Falsch. Wer sich gute Chancen auf Prädikatsnoten erarbeiten will, sollte beim Schreiben der Klausuren auch den Blick der Prüfenden berücksichtigen. Dies geht am besten, wenn man selbst Klausuren korrigiert. Allerdings wird es nicht für jeden möglich sein, Korrekturassistentin oder -assistent an der Uni zu sein. Aber in privaten Arbeitsgemeinschaften Klausuren von anderen zu bewerten oder schlicht eigene noch einmal durchzusehen und dabei Stärken und Schwächen zu analysieren, wird einen neuen Blick auf die Qualität juristischer Klausuren ermöglichen. Das Erstellen von Musterlösungen bereits besprochener Klausuren ist auch eine Möglichkeit, die eigene Klausurtechnik - insbesondere auf sprachlicher Ebene - zu verbessern und auf das Anforderungsprofil hin zu optimieren. Es hilft bereits, nur die Schwerpunkte einer Klausur noch einmal genauer auszuformulieren. Wieder und wieder bis es zur Routine wird!

 

Der Autor

Pascal Lippert ist seit 1998 als Rechtsanwalt in Berlin tätig. Er betreut seit 2005 Arbeitsgemeinschaften in der Referendarausbildung und ist sporadisch als Prüfer für das GJPA Berlin/Brandenburg tätig. Als Lehrbeauftragter bewertet er regelmäßig Bachelor- und Masterarbeiten an der HWR Berlin.

Lippert

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