Werbungskostenabzug bei Umzug – Abgrenzung beruflicher und privater Kosten

Prof. Dr. Daniel R. Kälberer LL. M.

 

Werbungskosten gelten als „Inspektorenmaterie“ und die Lohnsteuer als die „graue Maus“ des Steuerrechts. Gemessen an ihrem Aufkommen (248,9 Mrd. € im Jahr 2024) gehört die Lohnsteuer jedoch zu den ergiebigsten Steuern, weshalb sich die Arbeitnehmerbesteuerung zu einem Fundament der Staatsfinanzierung entwickelt hat. Als Massenfallrecht entfaltet die Arbeitnehmerbesteuerung dabei eine außerordentliche Breitenwirkung. In dieser Weise erreicht ein Urteil in einer Lohnsteuersache eine Vielzahl an Steuerpflichtigen – unabhängig davon, ob sie einen Rechtsbehelf eingelegt haben oder nicht. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf die jüngste Entscheidung des BFH vom 5.2.2025 (VI R 3/23, NWB SAAAJ-90478) zur Berücksichtigung von Umzugskosten als Werbungskosten.

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind. Zwar ist das Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzurechnen, sodass die Kosten für einen Wohnungswechsel grundsätzlich als steuerlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) und nicht als Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu werten sind. Etwas anderes gilt aber, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstellt und private Umstände hierfür eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen. Das Gebot der Rechtssicherheit verlangt, dass sich dies anhand objektiver Umstände, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung des Umzugs schließen lassen, feststellen lässt. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der Umzug die Folge eines Arbeitsplatzwechsels ist und die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit sich durch den Umzug erheblich vermindert (BFH, Urteil v. 15.10.1976 - VI R 162/74, BStBl 1977 II S. 117).

Davon ausgehend sei – so der BFH in seiner Entscheidung vom 5.2.2025 – eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung des Umzugs in eine andere Wohnung auch dann zu verneinen, wenn in dieser Wohnung (erstmals) die Möglichkeit zur Einrichtung eines Arbeitszimmers besteht. Es fehle insoweit an einem objektiven Kriterium, welches nicht durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist. Denn auch in einem solchen Fall sei wegen des natürlichen Bestrebens nach einer – von individuellen Vorlieben geprägten – Verbesserung der Wohnqualität nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu ermitteln, ob die Einrichtung des Arbeitszimmers Anlass oder nur Folge des Umzugs in die neue, unter Umständen größere Wohnung (anderen Zuschnitts) sei. Objektiv feststellbare Umstände seien allein durch das Bestreben, ein abgeschlossenes Arbeitszimmer einzurichten, anders als bei einem Umzug aus konkretem beruflichem Anlass (z. B. Arbeitgeberwechsel, Umzug in neue Betriebsräume oder bei einer wesentlichen Fahrtzeitverkürzung), nicht gegeben. Insoweit sei auch die Wahl einer Wohnung in erster Linie vom Geschmack, von den Lebensgewohnheiten, den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, der familiären Situation und anderen privat bestimmten Vorentscheidungen abhängig.

Angesichts technologischer Innovationen, geänderter Lebensweisen und einer zunehmenden Mobilität ist gleichwohl von einem strukturellen Wandel in der Arbeitnehmerbesteuerung auszugehen. Dies erkennt auch der BFH an, weist jedoch zugleich darauf hin, dass die zunehmende Akzeptanz von Homeoffice, Tele- und sog. Remote-Arbeit (ortsunabhängiges/mobiles Arbeiten) nichts daran ändert, dass der Wunsch, im privaten Lebensbereich in einem (häuslichen) Arbeitszimmer zu arbeiten, nicht allein auf objektiven beruflichen Kriterien, sondern in erster Linie auf privaten Motiven und Vorlieben beruht. Zwar gehe mit einem separaten Arbeitszimmer eine wesentliche Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbedingungen einher. Auch werde dieser Umstand von einer Vielzahl von Steuerpflichtigen deshalb für ein ungestörtes Arbeiten „zu Hause“ als notwendig empfunden. Der Wunsch, einen (separaten) Raum als Arbeitszimmer vorzuhalten, werde jedoch nicht in einem solchen Maße durch objektive berufliche Erwägungen überlagert, dass diese typischerweise für eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung eines Wohnungswechsels streiten. Denn die Entscheidung, „im neuen Zuhause“ einen unter Umständen durch den Umzug „hinzugewonnenen“ gesonderten Raum nicht privat, sondern (erstmals) auch oder ausschließlich beruflich als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruhe auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien.

Im Ergebnis gilt es festzuhalten, dass der Abzug von Umzugskosten als Werbungskosten nur bei außerhalb der individuellen Wohnsituation liegenden Umständen zu bejahen ist. Oder in den Worten von Johann Wolfgang von Goethe: „Die Schwierigkeiten wachsen, je näher man dem Ziele kommt.“ Scheidet insoweit ein Werbungskostenabzug aus, ist allenfalls auf § 35a EStG (Umzugsdienstleistungen; dazu: BMF v. 9.11.2016 - IV C 8 - S 2296-b/07/10003:008, BStBl 2016 I S. 1213) hinzuweisen.

 

Der Autor

Prof. Dr. Daniel R. Kälberer LL. M.

ist Professor für Steuerrecht und Digitalisierung an der IU Internationale Hochschule am Standort Berlin. Er verfügt über eine langjährige Forschungs- und Lehrerfahrung zur Besteuerung natürlicher und juristischer Personen sowie zur Digitalisierung der Steuerfunktion.

 

Das Buch

Werbungskosten souverän meistern: Dieser kompakte Leitfaden liefert Steuerfachangestellten praxisnahe Unterstützung bei der korrekten Einordnung und Abgrenzung von Werbungskosten. Klar strukturiert, mit zahlreichen Beispielen und einem hilfreichen Abc der wichtigsten Tatbestände – ideal für den Berufsalltag. Von Pendlerpauschale bis Influencer-Marketing: So gelingt die Beratung auf den Punkt!

 

neu

Kälberer / Gölz-Kälberer

Werbungskosten von A bis Z

Werbungskosten von A bis Z

Praxisleitfaden für Steuerfachangestellte

lieferbar, 3-5 Tage

44,00 €

Auf die Merkliste setzen

Diese Themen könnten Sie auch interessieren

Stand: Juli 2025

Autorinnen/Autoren

  • Rezensionen

    Dieses Set enthält folgende Produkte:
      Auch in folgendem Set erhältlich:

      • nach oben

        Ihre Daten werden geladen ...