EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung: Der „Omnibus“ ist angekommen

Von Dr. Josef Baumüller, WU Wien

Nachdem die EU-Kommission im Februar 2025 ihre Vorschläge für ein „Omnibus-Paket zur Nachhaltigkeit“ vorgelegt hatte, fand der Prozess der Überarbeitung von CSRD & Co. kurz vor Jahresende noch seinen Abschluss. Dieser Prozess wie das dabei erzielte Ergebnis bieten allerdings wenig Grund zu feiern.

 

1 Hintergründe

Die EU-Kommission zielte mit ihren Vorschlägen auf eine „Vereinfachung“ des Normenrahmens für die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung – um europäische Unternehmen von Bürokratiekosten zu entlasten. Vor allem vonseiten zahlreicher Wirtschaftsvertreter war diese Forderung mit Nachdruck gestellt worden; die schwierige wirtschaftliche Lage in Europa hat dem weitere Dringlichkeit verliehen. Nicht gehört wurden allerdings kritische Stimmen, die auf die Nachteile bzw. Gefahren eines allzu weitreichenden Eingriffs hinwiesen; nicht zuletzt, da einige der dargelegten Vorschläge bereits als „Deregulierung“ zu verstehen waren. Dass diese Stimmen im gesamten Prozess kaum Berücksichtigung fanden, wurde bereits als Verfahrensmangel durch die EU-Ombudsfrau festgestellt.

Dennoch ging es letztlich darum, Fakten zu schaffen und ein politisches Signal zu senden. Und dass dieses deutlich ausfiel, dafür sorgten in weiterer Folge der Rat der EU sowie das EU-Parlament, die im Zuge des Trilog-Verfahrens Abänderungen ausarbeiteten, die noch deutlich über die Vorschläge der EU-Kommission hinausgingen. Insbesondere die Verhandlungen im EU-Parlament wurden dabei auch kontrovers geführt, der Verhandler der EPP scheute nicht vor einer gemeinsamen Abstimmung mit den rechtsgerichteten Parteien zurück, um eine Position zu beschließen, die zu einer massiven Einschränkung, v. a. des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen, geführt hätte.

Der letztlich im Trilog-Verfahren gefundene Kompromiss positioniert sich zwischen den drei erarbeiteten Vorschlägen von Kommission, Rat und Parlament. Zentrale Inhalte werden im folgenden Abschnitt umrissen.

 

2 Überblick über die wichtigsten Änderungen

Der nunmehr vorliegende Kompromisstext zur Abänderung der Vorgaben für die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Regelungen zur unmittelbaren wie zur mittelbaren Betroffenheit.

Zunächst werden zwei neue Schwellenwerte eingeführt, deren kumulative Erreichung Voraussetzung für die Berichtspflicht ist: 1.000 Mitarbeiter sowie jährliche Umsatzerlöse i. H. von 450 Mio. €. Diese Schwellenwerte gelten gleichermaßen auf einzelgesellschaftlicher wie auf konsolidierter Basis, die Berechnungen folgen jenen allgemeinen des Bilanzrechts (somit ist die Zahl der Mitarbeiter als Jahresdurchschnitt zu ermitteln). Neue Befreiungen sind für sog. „Finanzholdings“ vorgesehen, wie sie in der Bilanz-RL definiert werden. Schon die Ausführungen in den ErwGr. zum Omnibus-Kompromisstext machen aber klar, dass dieser Tatbestand eng umrissen und für einen großen Teil der berichtspflichtigen Unternehmen irrelevant sein wird. Wichtiger ist demgegenüber, dass zukünftig auch kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen vom Konzernprivileg Gebrauch machen können, wenn sie selbst in den Nachhaltigkeitsbericht eines übergeordneten Mutterunternehmens einbezogen sind.

Erweitert werden für berichtspflichtige Unternehmen schließlich die Schutzklauseln – d. h. die Möglichkeiten, aufgrund von definierten Sachverhalten Angabepflichten nicht zu erfüllen. Es sticht dabei hervor, dass wirtschaftliche Interessen dieser Unternehmen fortan stärker berücksichtigt werden können, d. h., wenn eine Offenlegung wirtschaftliche Nachteile erwarten lässt. Darüber hinaus werden auch persönliche und öffentliche Sicherheitsinteressen angeführt, was insbesondere in einen Zusammenhang mit der Rüstungsindustrie gebracht wird. Dem nunmehr vorliegenden Kompromisstext lässt sich aber klar entnehmen, dass eine Anwendung dieser Schutzklauseln weiterhin auf begründete Ausnahmen beschränkt bleiben soll.

Hinsichtlich der mittelbaren Berichtspflicht – d. h. Nachweispflichten, die sich für KMU und andere selbst nicht berichtspflichtige Unternehmen gegenüber ihren Geschäftspartnern ergeben – wird eine „Value Chain Cap“ eingezogen. Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern gelten als „Protected Undertakings“; Datenabfragen, die über den Umfang eines neuen Standards für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung hinausgehen, können von den „Protected Undertakings“ abgelehnt werden – allerdings nur, sofern die Anfragen in der CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung begründet liegen (was den praktischen Nutzen wiederum stark einschränkt). Der neue Standard soll von der EU-Kommission im Jahr 2026 verabschiedet werden, basierend auf Vorarbeiten der EFRAG. Hier wird der ESRS VSME als Vorlage dienen, wie ihn die EU-Kommission bereits im Sommer 2025 in Form einer Empfehlung übernommen hat. Da der ESRS VSME für KMU entwickelt wurde, ist davon auszugehen, dass die für 2026 erwartete Verlautbarung zumindest für Großunternehmen noch erweitert wird.

Hinsichtlich relevanter Fristenläufe wird es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Unternehmen der „Welle 1“, die schon für 2024 und die Folgejahre gemäß CSRD (alt) berichtspflichtig gewesen sind, rückwirkend für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2025 von der Berichtspflicht zu befreien. Ob dieses Wahlrecht zu einem so späten Zeitpunkt freilich noch von praktischer Relevanz ist, wird sich zeigen müssen; zumindest für das Geschäftsjahr 2026 wird davon aber wohl weitgehend Gebrauch gemacht werden. Die EU-Mitgliedstaaten haben die CSRD-Reformen der Omnibus-Initiative jedenfalls binnen zwölf Monaten ab ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umzusetzen.

Was ebenso Teil der Omnibus-Initiative ist, aber über den nunmehr getroffenen Beschluss im Trilog-Verfahren hinausgeht, das ist die Überarbeitung der ESRS. Die EFRAG hat hierzu Anfang Dezember 2025 einen Vorschlag an die EU-Kommission übermittelt, der v. a. von einer massiven Kürzung der vorgesehenen Datenpunkte charakterisiert wird. In inhaltlicher Hinsicht wurden allerdings auch Änderungen vorgenommen, die umstritten sind. Es ist daher davon auszugehen, dass die EU-Kommission noch einiges nachzuarbeiten hat, ehe sie die finalen delegierten Rechtsakte zur Neufassung der ESRS – „simplified ESRS“ – veröffentlichen kann. Zukünftige Anwender sollten daher die vorliegenden EFRAG-Texte einstweilen noch mit Vorsicht für etwaige Vorbereitungsarbeiten nützen.

Was die EU-Kommission mit den bereits vorliegenden Ergebnissen der Omnibus-Initiative allerdings bereits klarstellte, ist, dass die ursprünglich vorgesehenen sektorspezifischen ESRS nicht entwickelt werden. Um Unternehmen aber dennoch konkretere Orientierung bei der Anwendung der „simplified ESRS“ zu bieten, wird in Aussicht gestellt, nicht bindende Leitlinien auf Sektor-Ebene zu erarbeiten.

Weiterhin sollen die Berichtspflichten gem. Taxonomie-VO vereinfacht werden. Ein erster Rechtsakt wurde Ende 2025 beschlossen und kann bereits für die Berichterstattung zu diesem Geschäftsjahr genutzt werden. Darüber hinaus soll 2026 eine tiefergehende Überarbeitung der vorliegenden technischen Bewertungskriterien erfolgen, um auch hier Vereinfachungen zu erreichen.

 

3 Fazit und Ausblick

Die neuen Vorgaben zur europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung wurden innerhalb kurzer Zeit entwickelt und stellten Unternehmen vor große Herausforderungen. Insbesondere die allzu detaillierten Angabepflichten der ESRS, aber auch die strengeren Anforderungen aus der verpflichtenden externen Prüfung erwiesen sich dabei als Aufwandstreiber und sorgten – wohl teils verständlicherweise – für Unmut. Hier hätten sich wirksamere Ansatzpunkte für eine Verbesserung des Normenrahmens geboten, als sie nunmehr am Ende des Trilog-Prozesses gefunden wurden.

Das letztlich mit der Omnibus-Initiative erzielte Ergebnis geht jedoch weit über das hinaus, was eine „Erleichterung“ für die berichtspflichtigen Unternehmen darstellt – und nährt die Kritik, dass es sich dabei vielmehr um eine „Deregulierung“ handelt. Insbesondere die starke Reduktion der Zahl an berichtspflichtigen Unternehmen tritt in Konflikt mit einer Vielzahl an weiteren regulatorischen Zielsetzungen (etwa im Finanzsektor, der auf Unternehmensdaten für sein Risikomanagement angewiesen ist) und verkennt den Bedeutungsgewinn von Nachhaltigkeitstransparenz auch in anderen Rechtsordnungen außerhalb der EU. Die nunmehr neu beschlossenen Regelungen sollen wohl eine Signalwirkung haben; de facto schaffen sie aber neue Probleme bzw. werden sie mitunter die damit verlautbarten (neuen) Zielsetzungen nicht erreichen können (gerade i. V. mit „Protected Undertakings“).

Es zeichnet sich somit ab, dass nunmehr eine Zäsur gesetzt wurde. Nachhaltigkeitstransparenz soll zukünftig wieder stärker im Zeichen von Freiwilligkeit und Flexibilität stehen. Das heißt aber nicht, dass sie deswegen weniger wichtig wird – oder dass die Herausforderungen für Unternehmen weniger werden. Es obliegt diesen Unternehmen jedoch selbst, frühzeitig diese Zeichen der (neuen) Zeit zu erkennen, sich weiterhin darauf vorzubereiten und sich mit den eigenen Auswirkungen, Risiken und Chancen in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte zu befassen.

 

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erläutert nicht nur potenzielle Schwierigkeiten für Unternehmen, sondern bietet daneben entsprechende Lösungsvorschläge an, die durch zahlreiche Praxisbeispiele und Schaubilder untermauert werden. Verlinkungen und QR-Codes führen die Lesenden online wie offline zu den herangezogenen Unternehmensberichten.

 

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Der Autor

Dr. Josef Baumüller,

Mitarbeiter an der WU Wien, außerdem Lehrbeauftragter an der Universität Wien und an weiteren österreichischen Hochschulen. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Fragen der finanziellen und nichtfinanziellen Berichterstattung von Unternehmen und NPOs.

 

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