Steuerliche Fallstricke, die Sie bei dem Erwerb und der Veräußerung einer Rechtsanwaltskanzlei vermeiden sollten – Teil 2

In Teil 2 unserer Serie zum Thema Fallstricke, die Sie beim Erwerb und der Veräußerung einer Rechtsanwaltskanzlei vermeiden sollten, geht es um die Themen Umsatzsteuer bei Veräußerung des Mandantenstamms sowie Zustimmung der Mandanten.

 

Fallstrick 4: Umsatzsteuer bei Veräußerung des Mandantenstamms

In der Beratungspraxis ist häufig zu beobachten, dass sich die Kanzleiinhaber – aus verschiedenen persönlichen Gründen – zunächst nicht von der Kanzlei als Gesamtheit trennen, sondern nur von einem Teil, z. B. in Form der Mandantenkartei. Dies geschieht in der Regel gegen ein Veräußerungsentgelt. In der Beratungspraxis werden in Umsatzsteuersonderprüfungen diese Fälle immer häufiger aufgegriffen und zu steuerlichen Fallstricken für die betroffenen Rechtsanwälte, sofern der Erwerber auch umsatzsteuerfrei Ausgangsumsätze z. B. als Berufsbetreuer tätigt.

Rechtssystematisch unterliegen grundsätzlich die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung liegt nach dem UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb (Teilbetrieb) im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird.

Wichtig dabei ist, dass ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb (Teilbetrieb) vorliegt, wenn der veräußerte Teil des Unternehmens vom Erwerber als selbständiges wirtschaftliches Unternehmen  fortgeführt werden kann, dies liegt aber in aller Regel bei der Veräußerung einer Mandantenkartei eben nicht vor. Nach ertragsteuerrechtlicher Begründung i. S. des § 18 Abs. 3 S. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Vermögens oder eines selbständigen Teils des Vermögens oder eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. In diesem Fall gilt § 16 Abs. 2 bis 4 EStG entsprechend.  Der Veräußerungsgewinn wird – soweit er hiernach nicht steuerfrei – mit den ermäßigten Sätzen des § 34 Abs. 1 EStG versteuert. 

Nach der Rechtsprechung des BFH, kann die Veräußerung eines selbständigen Teils des Vermögens i. S. v. § 18 Abs. 3 EStG in der Form einer Teilkanzleiveräußerung nur dann in Betracht kommen, wenn ein freiberuflich tätiger Steuerpflichtiger mehrere selbständige, wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit verschiedenen Kundenkreisen ausübt.  Handelt es sich hingegen um eine einheitliche gleichartige Tätigkeit, so schließt die Eigenart der selbständigen Arbeit und die Betonung der Betätigung (im Gegensatz zum Kapitaleinsatz) im allgemeinen die Annahme aus, dass Teile der Kanzlei eine so weitgehende organisatorische Selbständigkeit erlangt haben, dass sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können.

Aus des Sicht des Umsatzsteuergesetzes war diese Sichtweise bis zum Jahre 2009 auch für den veräußernden- bzw. erwerbenden Rechtsanwalt, wenn dieser umsatzsteuerfreie Ausgangsumsätze hatte, kein problematischer Sachverhalt, da die Überlassung eines sogenannten Kanzlei- oder Praxiswerts eine nach § 4 Nr. 28 Buchst. a UStG steuerfreie Lieferung eines Gegenstandes sein konnte.  Der § 4 Nr. 28 Buchst. a UStG verlangte ferner, dass der Unternehmer die gelieferten oder entnommenen Gegenstände ausschließlich für eine nach den Nummern 7 bis 27 (oder nach Lit. b) steuerfreie Tätigkeit verwendet hatte. Die Verwendung eines Gegenstands für eine – hier in Betracht kommende – nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Tätigkeit z. B. als Berufsbetreuer setzt grundsätzlich voraus, dass der Gegenstand zur Ausführung der Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit eingesetzt wurde; das ist auch dann der Fall, wenn er nur Auswirkungen hinsichtlich dieser Tätigkeit hat. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG ist auf die Lieferung von Gegenständen beschränkt, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen ist oder die der Unternehmer ausschließlich für nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG umsatzsteuerfreie Tätigkeit verwendet hat. 

Die EuGH Rechtsprechung aus dem Jahre 2009 änderte diese Grundlage zum § 4 Nr. 28 UStG in Bezug auf den Mandantenstamm jedoch erheblich. Denn in seinem Urteil C-242/08 (Swiss Re Germany Holding) vom 22.10.2009 hatte der EuGH ausgeführt, dass die Übertragung von (in diesem Fall) Lebensrückversicherungsverträgen eine sonstige Leistung und keine Lieferung darstellt. Bei diesen Verträgen handele es sich nach Auffassung des EuGH zum einen nicht um körperliche Gegenstände i. S. des Artikels 5 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie.  Zum anderen sei die Übertragung von Verträgen als Abtretung eines unkörperlichen Gegenstands nach Artikel 6 Abs. 1 Unterabs. 2 1. Anstrich der 6. EG-Richtlinie  und damit als sonstige Leistung zu beurteilen.

Das Urteil hatte dementsprechend auch gravierende Auswirkungen auf die umsatzsteuerrechtliche Einordnung einer Übertragung anderer immaterieller Wirtschaftsgüter wie z. B. eines Firmenwerts/Kanzleiwerts oder eines Kunden- bzw. Mandantenstamms. Die Übertragung solcher immateriellen Wirtschaftsgüter ist nun ebenfalls als sonstige Leistung i. S. des § 3 Abs. 9 S. 1 UStG zu qualifizieren. Unter dem Geschäfts- oder Firmenwert ist ein immaterielles Gesamtwirtschaftsgut zu verstehen, das den Inbegriff einer Anzahl von im Einzelnen nicht messbaren Faktoren wie Kundenkreis (Mandantenkartei), Ruf des Unternehmens, Absatzorganisation usw. bildet und das deshalb auch dann nicht zerlegt werden kann, wenn die den Geschäftswert ergebenden Faktoren im Lauf der Zeit wechseln. 

 

Fallstrick 5: Zustimmung der Mandanten

Das OLG Hamm hatte am 15.12.2011 – I 2 U 65/11 ein bedeutsames Urteil in Bezug auf Zustimmungserklärungen von Mandanten im Rahmen einer Kanzleiveräußerung getroffen. Es geht um nicht weniger als die rechtswirksame Nichtigkeit eines Kanzleiübertragungsvertrages.

Nichtigkeit bedeutet, dass alles rückabgewickelt werden muss:

Der Erwerber der Kanzlei bekommt den Kaufpreis zurück und der Veräußerer seine Kanzlei. Und das nach Jahren, dann nämlich, wenn ein Gericht eben diese Nichtigkeit verbindlich feststellt. Dass dies den Veräußerer weit mehr belastet als den Erwerber liegt auf der Hand.

Im Urteilsfall hatten Veräußerer und Erwerber den Mandanten mitgeteilt, sie gingen davon aus, dass die Mandanten mit einer Mandatsübernahme einverstanden seien, wenn sie nicht bis zu einem bestimmten Termin widersprechen. Nach Ablauf des Termins hat der Veräußerer die Unterlagen auch der Mandanten, die weder widersprochen noch zugestimmt hatten, an den Erwerber weitergegeben.

In dem Urteil des OLG Hamm vom 15.12.2011 wurde aber ausgeführt, dass jeder Mandant der Übergabe seiner Unterlagen an den Kanzleinachfolger zustimmen müsse, eine konkludente Zustimmung durch Schweigen reiche nicht aus.

Aber warum wurde überhaupt prozessiert? Einige Zeit nach der Kanzleiübergabe stellte die Erwerberin fest, dass die Kanzlei und der Mandantenstamm nicht die zugesicherten Eigenschaften hatten, wovon Sie ausgegangen war. Sie hatte den Kaufvertrag angefochten und den Rücktritt wegen arglistiger Täuschung erklärt. In dem Rechtsstreit ging es also um die Rückabwicklung des Vertrags. Das Gericht hat sich mit dem Vorbringen der Kanzleinachfolgerin gar nicht beschäftigt. Es hat festgestellt, dass der Kanzleiübertragungsvertrag schon wegen eines Verstoßes gegen die berufliche Verschwiegenheitsverpflichtung von Anbeginn nach § 134 BGB nichtig war. Die Folge des nichtigen Vertrags war die Rückabwicklung mit den eingangs geschilderten Konsequenzen.

 

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