Gewerbemiete: Neue Norm mit großen Auswirkungen

Fokus Gewerbemiete: Die Geschäftsgrundlage bestehender Verträge ist durch die Corona Pandemie oft entfallen. Eine neue Norm hat nun weitreichende Auswirkungen auf zahllose Miet- und Pachtverträge. Es geht um viel Geld.

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Römermann, CSP

 

Am 30. Dezember 2020 wurde im Bundesgesetzblatt ein Gesetz mit einer sperrigen Bezeichnung verkündet: Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht. Es bringt unter anderem einen neuen Artikel 240 § 7 EGBGB.

Unter der Überschrift „Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen“ ist dort zu lesen:

„(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. (2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.“

Diese Norm hat weitreichende Auswirkungen auf zahllose Miet- und Pachtverträge. Betroffen sind Grundstücke und Räume, die nicht zu Wohnzwecken dienen, insbesondere also gewerbliche Mietverhältnisse, aber auch zum Beispiel Mietverträge über landwirtschaftliche Ackerflächen, Konzertsäle oder Sporthallen.

Geschlossene Läden, laufende Gewerbemiete

Praktisch alle dieser Flächen waren seit März 2020 von staatlichen Maßnahmen betroffen. Solche Maßnahmen weisen ein breites Spektrum auf: Von dem bloßen Aufruf durch Regierungsorgane bis hin zu Einzelverboten durch Verordnungen der Länder.

Auch der Appell des Bundespräsidenten vom 15. Januar 2021, Homeoffice zu nutzen, kann als eine solche Maßnahme gewertet werden. Zahllose Läden und Büros stehen infolge solcher Maßnahmen leer.

Die Gewerbemiete aber läuft grundsätzlich weiter. Da die Räume theoretisch nutzbar wären, also nicht verschwunden oder zerstört sind, erkennt der BGH in solchen Fällen nicht auf einen Sachmangel. Dem sind die Untergerichte in den Prozessen, die es wegen COVID-19 gab, im Jahre 2020 ganz überwiegend gefolgt.

Als Möglichkeit der Anpassung, und das bedeutet: der Herabsetzung der Miete, kommt damit nur die Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht (§ 313 BGB).

An sie werden traditionell strenge Voraussetzungen gestellt. Nur wenn ein Festhalten am bisherigen Vertragsinhalt für den Miete unzumutbar wäre, sollte eine Abänderung denkbar sein. Das vermochten die Landgerichte in der COVID-19-Zeit nur selten zu erkennen. In der Regel lehnten sie einen Anspruch auf Vertragsanpassung ab.

Das rief nun den Gesetzgeber auf den Plan. Er möchte, dass die Parteien von Mietverträgen miteinander ins Gespräch kommen. Die Pandemie lässt grundsätzlich die Vertragsgrundlage wegfallen.

Der Vertrag wird dadurch nicht aufgehoben oder beseitigt. In aller Regel ist er auch nicht kündbar. Aber die Miete ist herabzusetzen.

Viele Einzelheiten waren bislang umstritten. Die Landgerichte wollten eine „Unzumutbarkeit“ nur dann zubilligen, wenn der Mieter sich in einer akuten Existenzgefährdung befand.

Erhielt er staatliche Unterstützung, so sollte die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage ausscheiden. Außerdem sollte der Mieter nachweisen, dass er alles getan habe, um sein Geschäft anders zu retten als durch eine Kürzung der Gewerbemiete.

Römermann: „Der Gesetzgeber will Verhandlungen erzwingen“

Einer derart restriktiven Rechtsprechung dürfte mit dem neuen Gesetz die Basis entzogen sein. Der Gesetzgeber will Verhandlungen erzwingen. Es kann daher nicht mehr ausreichen, wenn sich ein Vermieter schlicht auf die allgemeine Risikoverteilung in Mietverhältnissen zurückzieht, die da lautet: Wer etwas mietet, trägt das Risiko dafür, ob er es auch sinnvoll benutzen kann.

Da das neue Gesetz ausdrücklich auf die Verwendbarkeit abstellt, dürfte es auf subjektive Aspekte wie etwa eine mögliche Existenzgefährdung nicht ankommen.

Entscheidend ist, was die Parteien vereinbart hätten, hätten sie von der bevorstehenden Pandemie etwas geahnt. Dabei wird nur in seltenen Ausnahmefällen der unveränderte Fortbestand die Folge sein.

Die Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage ist nicht auf die Zukunft beschränkt. Sie gilt rückwirkend seit dem Zeitpunkt der Veränderung, also seit März 2020.

Die Rechtsprechung hat in gravierenden Konstellationen eine hälftige Herabsetzung der Miete zugesprochen. Es geht also um viel Geld. Da ist jetzt auf beiden Seiten Verhandlungsgeschick gefragt, aber auch Fairness.

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