Schuldrecht 2022: Was ändert sich?

Im Geschäftsleben wird sich 2022 einiges verändern. Hintergrund ist ein Bündel von Gesetzen, die nach übereinstimmender Ansicht aller Expertinnen und Experten die größten Änderungen im Kaufrecht und im Allgemeinen Schuldrecht seit der Schuldrechtsmodernisierung vor 20 Jahren darstellen. BGH-Richter Dr. Christian Grüneberg, neuer Namensgeber des Beck’schen Kurzkommentars zum BGB (vormals Palandt), erläutert die sechs wichtigsten Neuregelungen.

 

Von Dr. Christian Grüneberg

 

Vertrag über digitale Produkte

Das Gesetz zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie fügt zum 1.1.2022 in das Allgemeine Schuldrecht mit den §§ 327-327u BGB insgesamt 22 neue Vorschriften unter dem Titel »Verträge über digitale Produkte« ein. Dies sind zum einen digitale Inhalte, also z.B. Computerprogramme, Apps oder Audio- und Videodateien, und zum anderen digitale Dienstleistungen, wie etwa die Nutzung von Streaming-Diensten, die Bereitstellung von Cloud-Speicherplatz, die Ermöglichung von gemeinsamen Spielen in einer Cloud-Computing- Umgebung, Messenger-Dienste, Verkaufs-, Buchungs-, Vermittlungs- oder Bewertungsportale oder die bekannten Social-Media-Dienste wie Facebook oder Instagram. Nach der gesetzlichen Konzeption sollte zwar mit der Neuregelung kein neuer Vertragstyp geschaffen werden, so dass es denkbar ist, bei Fragen, die durch die §§ 327 ff. BGB nicht geregelt werden, auf die Vorschriften der – soweit einschlägig – Vertragstypen des besonderen Schuldrechts zurückzugreifen. Im Hinblick auf die Regelungsdichte der §§ 327 ff. BGB und im Lichte der Vollharmonisierung der Digitale-Inhalte-Richtlinie ist allerdings zu erwarten, dass sich in der Praxis der Vertrag über digitale Produkte zu einem neuen Vertragstyp entwickelt. Dies gilt allerdings nur für Verbraucherverträge, weil der Gesetzgeber für Verträge über digitale Produkte im B2B-Bereich – bis auf Regressfragen (§§ 327t, u BGB) – keine eigenen Regelungen geschaffen hat.

 

Vertrag über Sachen mit digitalen Elementen

Die Verträge über digitale Produkte sind nach § 327a Abs. 3 BGB abzugrenzen von den Kaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen. Diese werden durch das Gesetz zur Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie geregelt, das ebenfalls zum 1.1.2022 in Kraft tritt und zu erheblichen Änderungen beim Verbrauchsgüterkauf führt. Waren mit digitalen Elementen sind nach der Definition in § 475b BGB bewegliche Sachen, die digitale Produkte mitenthalten, wie etwa das Smartphone, der Rasenroboter oder das Navigationsgerät. Ob die Abgrenzung zu den Verträgen über digitale Produkte immer so einfach sein wird, wie dies die gesetzlichen Definitionen erhoffen lassen, bleibt abzuwarten. Daneben kennt das Gesetz nämlich künftig auch den sog. Paketvertrag (§ 327a Abs. 1 BGB), der etwa vorliegt, wenn ein Verbraucher mit ein und demselben Vertrag sowohl eine Playstation als auch verschiedene digitale Spiele erwirbt, und den sonstigen Vertrag über Sachen mit digitalen Elementen (§ 327a Abs. 2 BGB), bei dem in Bezug auf das digitale Produkt die §§ 327 ff. BGB anwendbar sind.

 

Updatepflicht

Das in §§ 327 ff. BGB geregelte Gewährleistungsrecht bewegt sich weitgehend in bekannten Bahnen und lehnt sich stark an die (Neu-)Regelungen im Kaufrecht an. Eine wichtige Neuerung stellt aber die Aktualisierungspflicht des Unternehmers (§ 327f BGB) dar, deren Nichterfüllung einen Produktmangel i.S.d. § 327d Abs. 3 Nr. 5 BGB begründet. Der Gesetzgeber hat den Begriff der Aktualisierung bewusst weit gefasst, so dass darunter sowohl Updates als auch Upgrades fallen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind. Darunter zählen naturgemäß vor allem Sicherheitsaktualisierungen. Die Aktualisierungspflicht besteht entweder für den vereinbarten Zeitraum oder für den Zeitraum, in dem der Verbraucher nach Art und Zweck des digitalen Produkts eine Aktualisierung erwarten kann. Eine solche Aktualisierungspflicht besteht im Übrigen nunmehr auch bei Kaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen (§ 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB), wodurch der Kaufvertrag insoweit den Charakter eines Dauerschuldverhältnisses erhält.

 

Änderungsbefugnis des Unternehmers

Spiegelbildlich zur Aktualisierungspflicht des Unternehmers räumt ihm das Gesetz in § 327r BGB für Verträge über eine dauerhafte Bereitstellung eines digitalen Produkts eine Änderungsbefugnis ein. Diese ist allerdings an enge Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere muss hierfür ein triftiger Grund vorliegen, der etwa in einer notwendigen Änderung zur Anpassung des digitalen Produkts an eine neue technische Umgebung, in erhöhten Nutzerzahlen oder in betriebstechnischen Gründen zu sehen sein kann. Ferner dürfen dem Verbraucher durch die Änderung keine Kosten entstehen, und er muss darüber klar, verständlich und rechtzeitig informiert werden.

 

Bezahlen mit Daten

Neu ist ferner § 312 Abs. 1a BGB, der ebenfalls durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie zum 1.1.2022 eingefügt worden ist. Danach sind nicht nur die Vorschriften der §§ 327 ff. BGB, sondern auch andere verbraucherschützende Vorschriften auf Verbraucherverträge anzuwenden, bei denen der Verbraucher als Gegenleistung kein Entgelt zahlt, sondern personenbezogene Daten bereitstellt oder sich dazu verpflichtet, also »mit Daten bezahlt«, sofern diese nicht ausschließlich zur Vertragsabwicklung benutzt werden.

 

Bußgeldtatbestände

Schließlich ist noch das Gesetz zur Umsetzung der sog. Modernisierungs-RL oder Omnibus-RL zu erwähnen, das zum 28.5.2022 in Kraft treten wird. Hiermit werden z.B. in § 312k BGB nF allgemeine Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen geregelt. Interessant ist das Gesetz aber vor allem deshalb, weil zur besseren Durchsetzung des Verbraucherschutzes in Art. 246e EGBGB weitreichende Bußgeldvorschriften für eine schuldhafte Verletzung von Verbraucherinteressen eingeführt werden, etwa im Falle der Verwendung einer nach § 309 BGB unwirksamen AGB-Klausel, der Nichterfüllung der Informationspflichten nach dem eben erwähnten § 312k BGB nF oder der Nichterfüllung bestimmter Pflichten des Unternehmers nach einem wirksamen Widerruf der Vertragserklärung durch den Verbraucher.

 

Dieser Beitrag stammt aus beck-aktuell – DAS MAGAZIN Heft 3/2021. Zum kostenlosen Abo des C.H.BECK-Kundenmagazins (erscheint 3 x jährlich)

 

Zum Autor

Dr. Christian Grüneberg, Richter am Bundesgerichtshof, ist das neue Gesicht des Beck'schen Kurzkommentars zum BGB. Er kommentiert seit vielen Jahren das Allgemeine Schuldrecht.

 

Grüneberg (vormals Palandt)

Bürgerliches Gesetzbuch: BGB

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