Neue Herausforderungen für Digitale Angebote durch die BGB-Reform

Ein Gastbeitrag von Dr. Kristina Schreiber, Rechtsanwältin und Partnerin bei Loschelder Rechtsanwälte und Herausgeberin des Werks „Digitale Angebote. Neuer Rechtsrahmen für ihre Entwicklung von der Idee bis zum Vertrieb“ (C.H.BECK).

 

Für alle Anbieter von digitalen Produkten gilt seit dem 1. Januar 2022 ein neuer Titel im BGB: Das digitale Vertragsrecht. Alle digitalen Angebote für Verbraucherinnen und Verbraucher sind von den neuen Regelungen unmittelbar erfasst. Sie gelten für Apps, Software, Cloud- und Plattform-Angebote, E-Books und – nach dem Willen des Gesetzgebers – sogar Websites mit Werbetracking. Auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr wirkt sich das neue Recht aus, sei es in der Lieferkette oder auch im Rahmen der Ausstrahlungswirkung auf die allgemeine AGB-Kontrolle.

 

Wer die neuen Regeln beachten muss

Alle Unternehmen, die digitale Dienstleistungen oder digitale Inhalte für Verbraucher und Verbraucherinnen anbieten, müssen das neue digitale Vertragsrecht beachten.

Digitale Dienstleistungen und Inhalte sind beinahe alle Angebote, die einen digitalen Bezug haben. Das können Apps, E-Books oder auch andere Tools zur Kundenbindung und Kundenkommunikation sein. Ausgenommen sind nur wenige Bereiche, die schon engmaschig reguliert sind, z.B. Telekommunikations- oder Gesundheitsprodukte.

Das neue Recht gilt aber nur, wenn für die digitale Leistung von den Nutzern auch eine Gegenleistung verlangt wird. „Kostenlose“ Angebote sind nicht erfasst.

 

Bezahlen mit Daten

Was genau „kostenlose“ Angebote sind, ist sorgfältig zu prüfen. Denn: Für die Qualifikation als „kostenlos“ oder „kostenpflichtig“ kommt es nicht nur darauf an, ob Nutzer einen Geldbetrag zahlen müssen.

Das neue digitale Vertragsrecht bringt hier eine deutliche Erweiterung mit sich: Wenn ein Unternehmen für die Nutzung einer App, eines Cloud-Speichers oder des neuen E-Books zwar kein Geld verlangt, aber besondere Informationen von den Nutzern, dann ist das Angebot nicht „kostenlos“. Das neue Gesetz stellt eindeutig klar: Das „Bezahlen mit Daten“ steht dem „Bezahlen mit Geld“ gleich.

Eine der wesentlichen Herausforderungen für Unternehmen liegt darin, die als Bezahlung gewünschten Daten auch so zu erheben, dass sie datenschutzrechtskonform weiterverwendet werden dürfen. Dies geht über die Abfrage einer Einwilligung oder eine Einbeziehung in den Vertrag.

Unternehmen müssen dabei beachten, dass eine Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann. Das Unternehmen hat damit keine Sicherheit, die als Bezahlung beanspruchten Daten auch auf Dauer verarbeiten zu dürfen. Wenn für die Hingabe der Daten Produkte einmalig bereitgestellt werden, ist das nach den neuen Regelungen Risiko des Unternehmens.

Wird eine Einwilligung schnell widerrufen, muss das Produkt ohne Bezahlung bereitgestellt werden. Bei dauerhaften oder wiederholten Leistungen ist das Unternehmen dagegen durch die neuen Regelungen geschützt: Es kann im Fall eines Einwilligungswiderrufs den Vertrag kündigen, wenn ihm eine Fortsetzung unzumutbar wäre.

 

Handlungsbedarf: Die wichtigsten Gestaltungsoptionen

Wenn der Anwendungsbereich eröffnet ist, bringt das neue digitale Vertragsrecht viele neue Pflichten für Unternehmen und Rechte für Verbraucher und Verbraucherinnen mit sich. Unternehmen können diese erweiterten Pflichten durch eine sorgfältige Vertragsgestaltung teilweise abfedern und aktiv gestalten:

 

  • Bestellprozess: Beschaffenheit und Updatedauer vereinbaren

Das neue Recht weitet die Gewährleistungsansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern aus. Zudem bringt es langfristige Updatepflichten. Beide Vorgaben – Gewährleistung und Aktualisierungsdauer – können durch eine angepasste Gestaltung des Bestellprozesses und Vertragsschlusses beeinflusst werden.

Dies setzt nach dem neuen Recht voraus, dass gesonderte Vereinbarungen über die Beschaffenheit und über die Dauer der Updates geschlossen werden. Umgesetzt werden kann dies mithilfe transparenter Erläuterungen neben Klick-Boxen.

 

  • Vertragsgestaltung: Anpassung der Änderungsrechte

Anhand der neuen Vorgaben überprüft werden sollten auch die bestehenden Nutzungsbedingungen. Eine zentrale Neuerung findet sich zum zulässigen einseitigen Änderungsrecht, also dem Recht eines Unternehmens, auf Dauer abgeschlossene Verträge ohne gesonderte Zustimmung der Nutzer anzupassen.

Solche Änderungsrechte sind gerade bei sich dynamisch entwickelnden digitalen Produkten essentiell. Neue Funktionen können bereits zu einer grundlegenden Vertragsänderung führen. Können diese nicht einseitig eingeführt werden, müssen unter Umständen mehrere Produktversionen auf dem Markt bereitgestellt werden.

Das neue Recht begrenzt den zulässigen Rahmen von einseitigen Änderungen und erfordert insbesondere, dass dies bereits im Vertrag selbst festgelegt ist. Änderungsklauseln in den Nutzungsbedingungen sollten daher an das neue Recht angepasst werden, um diese auch künftig noch nutzen zu können.

 

  • Produktgestaltung: Datenflüsse und Weiterverwendung von Daten

Daten sind wertvoll. Mit ihnen können Produkte verbessert und neue Produkte entwickelt werden. Dies gilt in besonderem Maße für die Bereitstellung digitaler Produkte. Bereits seit 2018 unter Geltung des EU-Datenschutzrechts ist die Weiterverwendung von personenbezogenen Daten ein Fokusthema.

Das neue digitale Vertragsrecht weitet dies nun auf nicht-personenbezogene Daten aus: Die Weiterverwendung auch solcher Daten ist grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise in den gesetzlich abschließend geregelten Fallgestaltungen zulässig.

Bereits bei der Produktgestaltung sollten die gesetzlich zulässigen Fallgestaltungen beachtet werden und etwa die Erhebung aggregierter Daten für Zwecke der Produktverbesserung einprogrammiert werden.

 

Die für die Praxis wichtigsten rechtlichen Anforderungen an digitale Angebote insgesamt finden Sie aufbereitet im Praxisleitfaden „Digitale Angebote“, der das digitale Vertragsrecht, aber auch die darüber hinaus wesentlichen Rechtsbereiche entlang des Produktzyklus aufbereitet. Eine Checkliste aus dem Buch, die einen Weg durch den Anforderungsdschungel des neuen digitalen Vertragsrechts aufzeigt, können Sie hier downloaden.

 

Schreiber

Digitale Angebote

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Die Autorin

Dr. Kristina Schreiber

spezialisiert auf die Beratung von Unternehmen in allen Fragen der Digitalisierung, Datennutzung und Datenschutz – von der Gestaltung digitaler Angebote wie Plattformen und Apps über die Vertragsverhandlung bis hin zur Verteidigung von Behörden und Gerichten.

 

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