Für das Denken ist es nicht gleichgültig, wo es geschieht. Nicht alles ist überall denkbar. Europas Kultur entstand an den Küsten des Mittelmeeres. Die europäische Idee des Menschen ist auch eine der großen Wirkungen, die das Meer seit Urzeiten auf das Bewußtsein übt. Dieser für unsere Geistes- geschichte folgenreichen Beziehung ist das neue Buch von Andreas Steffens gewidmet. Es versammelt Spuren der Meeresfaszination von der Antike bis in die Gegenwart zur Kontur einer Anthropologie des Meeres.
Das Dasein des Menschen auf der Erde ist mit den Meeren enger verbunden, als die Selbstverständlichkeit, daß er nur an Land existieren kann, vermuten ließe. Wer sich dem Meer aussetzt, den erwartet eines der letzten Abenteuer: eine Begegnung mit sich selbst. Das Meer läßt einen nicht nur spüren, wer, auch, was man ist. Das Meer ist eine Fremdheit, der wir uns anvertrauen, obwohl wir sie fürchten. Trotz seiner Schrecken erkennen wir uns in ihm wieder. Wie weniges sonst in der Welt belehrt das Meer darüber, daß der Mensch unter Bedingungen existiert, denen er ausgesetzt bleibt, die er nutzen, aber nicht beherrschen kann. Der Mensch begibt sich aufs Meer, um das Land zu gewinnen, auf dem er sein kann, was er ist. Der Sinn der Seefahrt ist der Landgang.
Auf seinen Streifzügen durch die Jahrhunderte europäischer Kulturgeschichte begleiten den Autor antike, klassisch-moderne und zeitgenössische Autoren, darunter: Epikur, Seneca, Ovid, Immanuel Kant, Jules Michelet, Heinrich Heine, Georg Simmel, Joseph Conrad, Herman Melville, Hermann Broch, Paul Valéry, Karl Wolfskehl, Reinhold Schneider, Wolf von Niebelschütz, Alessandro Barrico, Claudio Magris, Anne Weber, Durs Grünbein, José Saramago, A.L. Kennedy, Sulamith Sparre, Michel Serres und Alban Nikolai Herbst.