Mit der Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union in Köln-Ehrenfeld entstand eines der meist diskutierten Gebäude der letzten Jahre in Deutschland. Paul Böhm, jüngster Sohn des Pritzker-Preisträgers Gottfried Böhm und Enkel von Do-minikus Böhm, des wohl bedeutendsten Kirchenbaumeisters der frühen Moderne in Deutschland, hat mit diesem spekta-kulären Kuppelbau den Typus der osmanischen Moschee in die Moderne überführt. Kuppel und Minarett dienen der tür-kisch-islamischen Kulturgemeinschaft als Identifikationsmerkmale. Zugleich öffnet sich der in einzelne Segmente aufgebrochene Scha-lenbau der Nachbarschaft und der Welt. Ta-gungssäle, Gemeinschaftsräume, Basar, Bibliothek und Museum bilden einen Komplex, der Rückbindung an das Herkunfts-land, Integration in die neue Heimat und Gesprächsangebote an seine Umgebung vermitteln soll.
Für Paul Böhm, geboren 1959, Lehrer für Entwurf und Konstruktion an der Fachhochschule Köln, stellt die Moschee die vorläufige Krönung seines Werks dar. Es umfaßt eine Fülle anregender Pro-jekte und ausgeführter Bauwerke, darunter Gebäude für Kultur, Hochschule, Verwaltung und Wohnen. Bei einem Architekten, der einer Familie von Kirchenbauern entstammt, nimmt es nicht wunder, daß sich darunter auch ein eindrucksvoller Sakralbau befindet. St. Theodor in Köln-Vingst ist ein Zentralbau von meditativer Ge-schlossenheit und zugleich weiter Öffnung in einem sozial schwie-rigen Stadtteil.
Zu den Bezugsfiguren, die für die berufliche Entwicklung von Paul Böhm eine Rolle spielten, zählen Tadao Ando, der Meister des samtenen Betons, Oswald Mathias Ungers, der Liebhaber der Geometrie, und Peter Zumthor, der Essentialist unter den Zeitgenossen. Wie diese vertraten auch die Lehrer und Architekten, bei denen Böhm vor der Gründung seines eigenen Büros im Jahr 2001 gearbeitet hat, ganz unterschiedliche Positionen: Otto Steidle, Anton Schweighofer, Richard Meier. Und natürlich ist Paul Böhm der Tradition der eigenen Architektenfamilie verpflichtet, die er auf sehr persönliche Weise fortsetzt.
Wolfgang Pehnt, der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie an der Philipps-Universität Marburg, der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main studierte, hat grundlegende Arbeiten zur deut-schen Baugeschichte verfaßt, darunter Die Architektur des Expressionismus und Deutsche Architektur seit 1900 sowie Architektenmonographien über Gottfried Böhm, Hans Poelzig, Rudolf Schwarz und Karljosef Schattner. Von 1995 bis 2009 lehrte er Architekturge-schichte an der Ruhr-Universität Bochum. Er ist Mitglied von Kunst- und Wissenschaftsakademien in Berlin, Düsseldorf und München und erhielt zahlreiche Auszeichnungen.