Die Möglichkeit zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen
gehört ebenso wie ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen,
kulturellen und politischen Leben zu einem menschenwürdigen
Leben. Die Richter des Bundesverfassungsgerichtes
formulierten dies wie folgt: "Der unmittelbar verfassungsrechtliche
Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines
menschenwürdigen Existenzminimums (...) gewährleistet das
gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche
Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen,
also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung,
Hygiene und Gesundheit (...), als auch die Sicherung der
Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen
und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen,
kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch
als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen" (BVerfG,
09.02.2010, 1 BvL 1/09 Rn. 100)."
Diejenigen Menschen, die infolge einer Behinderung von der
Ausübung dieses Grundrechts ausgeschlossen sind und die
Teilhabe nicht unter zumutbarem Einsatz eigener, insbesondere
finanzieller Mittel ermöglichen können, haben einen Anspruch
auf staatliche Leistungen zur Überwindung behinderungsbedingter
Hürden. Eine herausgehobene Bedeutung haben
insoweit die sozialhilferechtlichen Vorschriften zur Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen. Sie verfolgen insbesondere
den Zweck, behinderten Menschen die Teilnahme
am Leben in der Gemeinschaft, die Ausübung eines angemessenen
Berufes oder einer anderen Tätigkeit und die Unabhängigkeit
von Pflege zu ermöglichen.
Die besondere Bedeutung der Eingliederungshilfeleistungen
spiegelt sich in der Anzahl der Leistungsempfänger und der
für sie aufgebrachten Mittel wieder.
Im Laufe des Jahres 2014 erhielten 1 396 938 Menschen in
der Bundesrepublik Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII.
860 489 Menschen - und damit weit mehr als die Hälfte der
Empfänger von Sozialhilfeleistungen (61,59 %) - waren Empfänger
von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 19 Abs.
3 SGB XII i.V.m. §§ 53 ff. SGB XII. Von den insgesamt
28,96 Mrd. Euro, die im Jahr 2014 für Sozialhilfeleistungen
brutto aufgewendet wurden, entfiel ein Anteil von fast 56,5 %
(16,35 Mrd. Euro) auf die Eingliederungshilfe für behinderte
Menschen.
Sozialhilferechtliche Leistungen zur Eingliederung sind so
vielfältig wie die behinderungsbedingten Einschränkungen der
Teilhabefähigkeit des einzelnen behinderten Menschen. Hierbei
steht das Sozialhilferecht neben einer ganzen Reihe anderer
Leistungsgesetze, die ähnliche Ziele verfolgen. Für denjenigen,
der als Lernender oder Betroffener versucht, sich in
dieses Gebiet einzuarbeiten, stellen diese Rahmenbedingungen
ganz besondere Herausforderungen dar.
Dieses Buch versucht, dem Leser mehr als nur einen ersten
Einblick in das Recht der Eingliederungshilfe zu geben. Anspruchsvoraussetzungen
und Leistungen werden ebenso dargestellt
wie die Wege zur Abgrenzung der sozialhilferechtlichen
Leistungspflicht von der Zuständigkeit anderer Sozialleistungserbringer.
Zugleich musste, um den Rahmen eines Lehrbuchs nicht zu sprengen, teilweise auf eine vertiefte Darstellung
verzichtet werden. So werden die Wege der Wiederherstellung
des Nachrangs der Sozialhilfe nur recht oberflächlich
beleuchtet.
Auch die Darstellung der Zuständigkeit der örtlichen und
überörtlichen Träger der Sozialhilfe für Eingliederungshilfeleistungen
wird nur kurz angesprochen, was darin begründet
ist, dass das SGB XII insoweit lediglich den Rahmen vorgibt,
der durch landesrechtliche Regelungen abbedungen wird. Die
Landesgesetzgeber haben in so vielfältiger Weise von dieser
Möglichkeit Gebrauch gemacht, dass es im Rahmen dieses
Buches bei einer Darstellung der Grundzüge bleiben soll.