In den 1960er Jahren wuchs das Interesse der Kunstwelt an Systemen erkennbar. Es verlief parallel zu den gesellschaftlichen Umbrüchen und einer grundsätzlichen Systemkritik der '68er Bewegung. Aus heutiger Sicht besonders folgenreich waren die technologischen Fortschritte. Die Entwicklung der Kybernetik, von Kommunikationsnetzwerken und Computersystemen ermöglichte weitreichende Vernetzung und leistungsfähige Datenverarbeitung und machte den Informationsaustausch zu einem wichtigen sozialen und wirtschaftlichen Faktor. Ausstellung und Publikation betrachten die Kunst der 1960er und frühen 1970er Jahre unter den Aspekten des Systemdenkens und begreifen sie als Kommunikation und Systemkritik. Vor allem Werke der Minimal Art und der Konzeptkunst befassten sich mit Grundsätzen des sprachlichen Kommunikationssystems und dabei mit Differenz und Wiederholung. Zeichenhaftigkeit, Serialität, Regelhaftigkeit sowie die Kontextualisierung des architektonischen und institutionellen Umfelds waren weitere wichtige Merkmale. Die Werke nahmen die Prinzipien des Systemdenkens formal auf und stellten sie inhaltlich zur Debatte. Die Betrachtenden mussten ihre Standpunkte sowohl räumlich als auch gedanklich selbst beziehen und wurden so zu einem maßgeblichen Teil der Werke. 50 Jahre später ist das Systemdenken wirksamer denn je und durch die Digitalisierung unumgänglich für das Verständnis der Industriegesellschaften geworden. Komplexe Systeme vernetzen Wissen, werten Daten aus, steuern Informationsflüsse und determinieren Entscheidungs- und Produktionsprozesse. Sie bilden unser Umfeld, in dem wir vor allem nach Systemkompatibilität, Verfügbarkeit und Reichweite streben. Die Ausstellung und die Publikation zeigen repräsentative Werke der 1960er und 1970er Jahre zusammen mit zeitgenössischer Kunst, die sich mit heute systemrelevanten Fragen der Prozesshaftigkeit, der Datenverarbeitung, der Informationsverzerrung und der Systemkompatibilität auseinandersetzen. Digitale Systeme und Software gehören für diese zeitgenössischen Kunstschaffenden ebenso zu ihren Werkzeugen wie Prinzipien des Systemdenkens. Beides beeinflusst und steuert ihre formalen und inhaltlichen Entscheidungen, wenn sie Werke schaffen. Oft thematisieren sie gerade diese Abhängigkeit von den Systemen und Codes und machen so deren Funktionsweisen sichtbar. Das Buch und die Ausstellung »Immer anders, immer gleich« bilden selbst ein offenes kunsthistorisches Referenzsystem und stellen vielfältige Bezüge zwischen den unterschiedlichen Kunstwerken und Dekaden her. Wichtige Themen rund um das Verhältnis von Subjekt, Objekt, Wahrnehmung und Umwelt werden so sinnlich erlebbar: immer anders und doch immer gleich.
Künstlerinnen und Künstler:
!Mediengruppe Bitnik, Carl Andre, Art & Language, John Baldessari, Walead Beshty, Stanley Brouwn, Peter Buggenhout, Angela Bulloch, Hanne Darboven, Matias Faldbakken, Corsin Fontana, Wade Guyton, Bethan Huws, Iman Issa, Donald Judd, On Kawara, Yves Klein, Sol LeWitt, Piero Manzoni, Robert Morris, Charlotte Prodger, Ad Reinhardt, Michael Riedel, Robert Ryman, Jan Schoonhoven, Frank Stella, Sturtevant, Rémy Zaugg
Ausstellung:
Bündner Kunstmuseum Chur, 30/6 - 11/11/2018