Die Chancen und Risiken des StaRUG

Ein neues Werkzeug für das Insolvenz- und Sanierungsrecht: Durch das  Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz StaRUG kann der Schuldner künftig das Restrukturierungsverfahren steuern. Doch was bedeutet das für die Branche? Welche Chancen gibt es, welche Risiken? Ein Gespräch mit Dr. Eberhard Braun, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Wirtschaftsprüfer und Herausgeber eines neuen Kommentars zum StaRUG.

 

Wie groß sind die Änderungen durch das StaRUG?

Dr. Eberhard Braun: Der Gesetzgeber hat weit mehr getan, als eine isolierte Umsetzung der EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz. Er hat versucht, einen weiteren Baustein in den Bereich von Restrukturierung und Insolvenz zu setzen. Trotz zahlreicher Reformen blieb das Insolvenzrecht in Deutschland lange Zeit Vollstreckungsrecht und damit Gläubigerland. Mit dem StaRUG gibt der Gesetzgeber den Teil der Insolvenzordnung auf, der eigentlich auch zur Restrukturierung und Sanierung des Schuldners hätte dienen sollen – und zwar wegen erklärter Erfolgslosigkeit. Es gibt einen Neustart. Die Corona-Krise hat das Ganze beschleunigt.

 

Sie sprechen im Vorwort Ihres neuen Kommentars von einem „Paradigmenwechsel“.

Braun: Ganz genau. Es handelt sich um einen völlig neuen Ansatz, nämlich dadurch, dass das StaRUG zum ersten Mal den Schuldner als Hauptperson behandelt und nicht den Gläubiger.

 

Der Schuldner hat das Ruder in der Hand?

Braun: Ja, der Schuldner steuert den Prozess! Das ist der wichtigste Punkt eines schuldnergetriebenen Restrukturierungsverfahrens. Das Gesetz bietet ein modular gestaltetes Hilfsangebot für Schuldner. Der Schuldner hat eine Möglichkeit, sich zu reorganisieren – und zwar privat oder mit gerichtlicher Assistenz. Wie er es möchte. Das StaRUG bietet dem Schuldner durch einen neuen Werkzeugkasten eine faire Chance zur Eigensanierung.

 

Welche Gläubiger sind zwingend in das Verfahren integriert?

Braun: Das Gesetz gibt dem Schuldner – mit zugegeben hohen Quoren – die Möglichkeit, Konsensstörer, die sich nicht arrangieren wollen und die auf der vollständigen Erfüllung ihrer Forderungen bestehen oder die sich aus der Ablehnung Vorteile welcher Art auch immer erhoffen, quasi zum Mitmachen zu zwingen. Ganz klar: Diese Möglichkeit hat es für Schuldner noch nie gegeben, wer Gläubiger zwingen wollte, sich auf einen Kompromiss oder einen Verzicht einzulassen, musste dafür in Kauf nehmen, in die Insolvenz zu gehen. Dies lässt das StaRUG hinter sich.

 

Die konzeptionelle Hoffnung des StaRUG ist eine deutlich verbesserte Akzeptanz durch den „Markt“ zu finden. Wie schätzen Sie das ein?

Braun: Da das StaRUG ein Schuldnerinstrument ist, geht es nur um Schuldnerakzeptanz. Wird der Schuldner nicht aktiv, gibt es kein Verfahren. Man müsste annehmen, wenn der Schuldner die Insolvenz vermeiden kann – die er ja auf gar keinen Fall will – müsste er die Chance des Gesetzes ergreifen. Dies wird er in all den Fällen, in denen er nicht in eine Schockstarre verfällt oder aufgrund mangelnder oder inkompetenter Beratung den richtigen Zeitpunkt verfehlt, auch tun.

 

Worauf kommt es besonders an?

Braun: Ein Problem liegt darin, dass der Schuldner mit der Initiierung des Verfahrens unverzüglich mit seinen Schuldnern beginnen muss, seinen Restrukturierungsplan so abzustimmen, dass dieser eine Chance hat, eine Dreiviertelmehrheit zu erzielen.

 

… innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne.

Braun: Ja, daher spricht viel dafür, dass auch für dieses Verfahren die besseren Aussichten bestehen, wenn es „prepackaged“ ist, heißt, mit den großen Gläubigern abgestimmt ist, dass man das Verfahren also erst beantragt, wenn man weitgehend oder annähernd sicher ist, die entsprechenden Mehrheiten zu erzielen. Ist das Verfahren nur noch Technik, dann ist alles gut. Ist aber das Verfahren materiell dazu da, die Mehrheiten zu erarbeiten, dürfte es sehr eng werden. Opponierende Gläubiger sitzen dann einfach durch Verweigerung das Verfahren aus, mit dem Ergebnis, dass aus der drohenden Zahlungsunfähigkeit schnell eine insolvenzeröffnende Zahlungsunfähigkeit wird.

 

Ihr Schlussfazit?

Braun: Vor uns liegen spannende Zeiten. Ich denke, dass der Restrukturierungsrahmen dem Schuldnermarkt eine große Chance bietet. Die Schuldner müssen diese Möglichkeit nur ergreifen. Oder um es mit einem alten Rechtssprichwort zu sagen: Ius ante scriptum est vigilantibus – das Recht ist für die Wachsamen geschrieben. Die Restrukturierung wird dem Schuldner nicht geschenkt, er muss sie sich erarbeiten.

 

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