Assessorklausur Strafrecht: 10 Tipps für die Strafrechtsklausur im zweiten Staatsexamen

Auf das richtige Zeitmanagement kommt es gerade bei der Assessorklausur Strafrecht entscheidend an.

Dass Kommentare als Bearbeitungshilfe genutzt werden dürfen, erscheint auf den ersten Blick als Geschenk. Doch auch diese kosten – selbst bei gekonntem Gebrauch – stets Zeit und Aufmerksamkeit.

Nachfolgend erhalten Sie von Oberstaatsanwalt Willanzheimer zehn Tipps, worauf Sie beim Schreiben einer Strafrechtsklausur im Assessorexamen achten sollten.

1. Jede Klausur ist in erster Linie ein Zeitproblem. Dennoch gilt auch für die Strafrecht-Assessorklausur: Nicht einfach drauflosschreiben! Investieren Sie angemessene Zeit, Ihre Gedanken zu ordnen und Ihre Lösung zu skizzieren. Lassen Sie zunächst auch Ansätze zu, die Ihnen fernliegend vorkommen. Sortieren Sie sie aber auch wieder aus, wenn Sie erkannt haben, dass sie nichts taugen. Es ist eine Legende, dass es "Punkte bringt", wenn möglichst viele Tatbestände "angeprüft" werden. Aber wiederum nicht unentschlossen zu viel Zeit verstreichen lassen, sondern rechtzeitig mit der Niederschrift anfangen.

 

2. Setzen Sie die Schwerpunkte in der Assessorklausur Strafrecht richtig! Ein Hauptgrund für das Scheitern von Klausuren ist – auch und gerade bei Kandidaten mit viel Wissen – eine misslungene Problemgewichtung. Typisch hierfür sind "kopflastige" Arbeiten, die unnötig breit beginnen, dann immer kurzatmiger werden und die letzten Ergebnisse nur noch mit "(+)" oder "(-)" anzeigen, wenn sie überhaupt bis zum Schluss kommen.

 

3. Definieren Sie die Arbeit nicht zu Tode! Natürlich sind Definitionen für eine saubere Methodik wichtig, und mit Recht wird in den universitären Übungen hierauf Wert gelegt. Aber Sie müssen nicht jedes völlig unproblematische Tatbestandsmerkmal ausdefinieren. Das würde erstens anfängerhaft wirken und zweitens, wichtiger, Ihr Zeitmanagement über den Haufen werfen. Und wichtig: Wenn eine Definition niedergeschrieben wird, muss sie auch benutzt, d.h., der konkrete Fallbezug hergestellt werden.

 

4. Vermeiden Sie im Strafrecht-Assessorexamen abstrakte, lehrbuchhafte Ausführungen, die den konkreten Fall nicht weiterbringen.

 

5. Vermeiden Sie in Gutachten auch die "diffusen Drei":

  • "Problematisch ist, dass …"
  • "Zu beachten ist, dass …"
  • "Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass …"

Formulieren Sie stattdessen präzise Ansätze, also z.B. "Der Verwertbarkeit der Aussage könnte entgegenstehen, dass der Beschuldigte nicht nach § 136 Abs. 1 StPO belehrt wurde" und nicht "Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass …"

 

6. Haben Sie den Mut, einmal niedergeschriebene Lösungen stehenzulassen, auch wenn Ihnen inzwischen Zweifel gekommen sind – es sei denn, Sie erkennen sie tatsächlich als "falsch" oder abwegig. Es ist sehr schwierig (und auch oft verfehlt), die Lösung eines Problems unter Zeitdruck stimmig umzuformulieren, zumal die betreffende Frage ja auch Einfluss auf andere Teile der Arbeit haben kann.

 

7. Ein Kommentar ist kein Gesetz! Es verbietet sich daher, eine Lösung in der Assessorexamen-Strafrechtsklausur allein unter Bezugnahme auf den Kommentar zu "begründen". Kommentarfundstellen gehören ohnehin nicht in eine Aufsichtsarbeit. Die Kommentare sind durchaus ein wichtiges Hilfsmittel, aber sie dienen dem Erkennen eines Problems, der Orientierung und dem Auffinden von Argumenten und lösen Ihre Arbeit nicht. Verarbeiten sollten Sie diese Erkenntnisse anhand eigener Überlegungen. Eine Klausur, die im Wesentlichen aus abgeschriebenen Kommentarstellen besteht, lässt keine eigene gedankliche Leistung erkennen und wird nur selten zufriedenstellendes Niveau erreichen. Auch die bloße Berufung auf "die Rechtsprechung" oder gar die "h.M." ersetzen in der Assessorklausur Strafrecht keine eigene Begründung.

 

8. Ein sehr häufig anzutreffender Fehler bei Staatsanwaltsklausuren: ein fehlerhafter Aufbau bei Tatsachenfragen. Beweisfragen sind immer bei demjenigen Tatbestandsmerkmal zu erörtern, bei dem es auf die Beweisbarkeit ankommt. Wer erst einmal durchsubsumiert und anschließend formuliert "Der Beschuldigte hat sich daher eines Diebstahls hinreichend verdächtig gemacht. Fraglich ist, ob ihm dies auch nachzuweisen ist…" stellt das zuvor gefundene Ergebnis wieder infrage, denn die Nachweisbarkeit gehört ja zum hinreichenden Tatverdacht.

 

9. Wenn Ihnen bei einer Staatsanwaltsklausur am Schluss Zeit für die komplette Anklageschrift fehlt, lassen Sie die Formalien weg. Wichtig sind Anklagesatz und Antrag!

 

10. Schreiben Sie entgegen mitunter gegebenen Ratschlägen bei Urteilsklausuren die Feststellungen zur Sache "zur Zeitersparnis" nicht aus dem konkreten Anklagesatz ab, sondern formulieren Sie sie eigenständig. Erstens ist Abschreiben keine juristische Leistung, zweitens stimmt der konkrete Anklagesatz keineswegs immer mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme überein.

 

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Der Autor

Holger Willanzheimer ist Leiter von Referendar-Arbeitsgemeinschaften im Strafrecht sowie langjähriger Prüfer im zweiten juristischen Staatsexamen.

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