7 Tipps und Tricks fürs Rechtsreferendariat
Von Jannina Schäffer
Herzlichen Glückwunsch! Wenn Sie sich für diesen Text interessieren, kann das nur eins bedeuten: Sie haben das erste Staatsexamen erfolgreich gemeistert und starten als Nächstes in den juristischen Vorbereitungsdienst. Damit in den zwei Jahren auf dem Weg zum zweiten Staatsexamen nichts schiefgeht, möchten wir Ihnen ein paar Tipps & Tricks an die Hand geben.
Die ausführliche Version finden Sie in unserem Ratgeber "Survival Guide Rechtsreferendariat", der im Oktober im UTB-Verlag erschienen ist. Die wichtigsten Infos möchte ich Ihnen als Herausgeberin des Buches aber auch hier ans Herz legen.
1. Kein Ratschlag gilt für alle und für jede Lebenssituation
Zunächst das Wichtigste vorweg: Jeder Tipp ist eine Einladung – kein Befehl. Was für den einen funktioniert, ist für den anderen vielleicht völlig realitätsfern. Manche Referendarinnen und Referendare jonglieren Job, Kind und Klausuren, andere leben entspannt in der elterlichen Villa mit Blick auf den See. Die Lebensumstände sind verschieden – und genauso verschieden sollten auch die Erwartungen an das Referendariat sein. Die hier genannten Tipps sind zwar grundsätzlich verallgemeinerungsfähig, aber deswegen noch lange nicht die einzig richtige Herangehensweise.
Auch gut gemeinte Tipps von Eltern („Damals hat mir das XY-Repetitorium völlig gereicht“) oder Ausbilderinnen und Ausbildern („Ich hatte nur zehn Karteikarten“) sind nicht immer auf die heutige Situation übertragbar. Und: Lassen Sie sich nicht von vermeintlichen Überfliegern verrückt machen – die gab es schon im Jurastudium und auch die kochen nur mit Wasser. Finden Sie Ihren eigenen Weg – und vertrauen Sie darauf, dass das völlig okay ist.
2. Scheitern Sie nicht an Formalia und Fristen
Willkommen in der Welt der Justiz! Hier wird geplant, gestempelt und abgehakt. Das Referendariat ist streng getaktet: Jede Station hat ihre festen Start- und Endpunkte. Ob Anmeldung zur schriftlichen Examensprüfung, Urlaubsantrag oder Nebentätigkeitsgenehmigung – wer Fristen verpasst oder Formalia nicht einhält, hat schnell ein Problem. Die Ausbildungsstellen haben – wie schon an der Uni – wenig Humor, was fehlende Unterschriften oder zu spät eingereichte Unterlagen angeht.
Deshalb: Frühzeitig informieren, einen Kalender (digital oder analog) führen und lieber einmal zu viel beim Ausbildungsgericht nachfragen als einmal zu wenig. Denn leider gilt: Unwissen schützt nicht. Und es wäre schade, wenn Sie eine Nebentätigkeit oder Ihren Urlaub nicht antreten könnten oder in einer Station sogar zwangszugewiesen werden, weil der Antrag für die Wunsch-Station verspätet eingegangen ist. Eine Checkliste, was Sie auf keinen Fall vergessen dürfen, finden Sie in unserem Ratgeber.
Achtung: Wer die Wahlstation strategisch nutzen möchte (z. B. für eine Station im Ausland oder beim BVerfG), muss sich sehr früh kümmern – teils über ein Jahr im Voraus.
3. Früh anfangen, lohnt sich
Klingt wie ein abgedroschener Motivationsspruch – ist aber bittere Wahrheit. Wer frühzeitig mit dem Lernen beginnt, spart sich später schlaflose Nächte. Schon in der ersten Station kann man anfangen, das materielle Recht aus dem Jurastudium zu wiederholen. Wer in den Stationen "dranbleibt", wird am Ende kurz vor dem Examen nicht von einem Berg aus neuem Stoff überrascht.
In den meisten Stationen ist es sogar zwingend, am Ball zu bleiben. Denn spätestens in der praktischen Ausbildung muss man Aufgaben für seine Ausbilderin oder seinen Ausbilder erledigen. Wer die Formalia eines zivilgerichtlichen Urteils nicht kennt, kann in der Station keinen Urteilsentwurf schreiben. Wer noch nie die StPO aufgeschlagen hat, bekommt spätestens im Sitzungsdienst für die Staatsanwaltschaft ein Problem.
4. Urteilsstil ist nicht Gutachtenstil
Die vielleicht größte Umstellung im ganzen Referendariat: Weg vom „Fraglich ist, ob …“ hin zu klaren Ansagen im Urteilsstil. Zwar muss man weiterhin auch juristische Gutachten schreiben, der Schwerpunkt liegt im zweiten Examen jedoch auf praktisch verwertbaren Ergebnissen im Urteilsstil (zivilrechtliche Urteilsklausur, Strafurteil, verwaltungsgerichtliche Urteilsklausur). Das bedeutet: Keine wissenschaftlichen Ausführungen, sondern juristisches Handwerk. Deswegen beinhaltet auch unser "Survival Guide Rechtsreferendariat" ein Kapitel zum Urteilsstil.
Darüber hinaus werden Anklageschriften, anwaltliche Schriftsätze und behördliche Verfügungen erwartet. Auch diese unterscheiden sich ganz erheblich von den Klausuren im ersten Examen. Diese Umstellung braucht Übung. Viele scheitern im Referendariat nicht an fehlendem Wissen, sondern an der falschen Darstellung. Wer frühzeitig übt, saubere Urteile zu schreiben, ist klar im Vorteil.
5. Eine gute Lerngruppe ist das halbe Examen
Das Referendariat ist kein Einzelkämpfer-Marathon. In einer guten Lerngruppe lassen sich nicht nur Inhalte besser verstehen – man bekommt auch Rückmeldung, neue Perspektiven und manchmal einfach moralischen Support.
Wichtig: Suchen Sie sich Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die ähnlich ticken – in Lerntempo, Anspruch und Zeitplan. Seien Sie ehrlich miteinander, gehen Sie gemeinsam durch Höhen und Tiefen und halten Sie sich gegenseitig auf Kurs. Gemeinsam lernt und leidet es sich einfach besser.
Für die Organisation der Lerngruppe gilt das gleiche wie im Jurastudium. Verschaffen Sie sich einen Überblick über den Stoff, erstellen Sie sich einen langfristigen Lernplan und legen Sie für jede Einheit eine verantwortliche Person fest, die beispielsweise Übungsmaterialien oder Klausuren organisiert.
6. Klausuren, Klausuren, Klausuren
Theorie ist gut, Praxis ist besser – aber Übungsklausuren sind am besten. Nichts bereitet Sie besser auf das zweite Examen vor als Klausuren unter Echtzeitbedingungen. Deshalb: Alles mitnehmen, was geht! AG-Klausuren, Übungen beim Ausbilder, Lerngruppen-Klausuren oder (wenn’s passt) auch ein kommerzielles Repetitorium.
Wichtig ist nicht nur das Schreiben, sondern auch die Nachbereitung. Was war unklar? Wo lag das Problem? Welche Fehler passieren immer wieder? Je mehr Klausuren Sie geschrieben haben, desto souveräner gehen Sie ins Examen. Und: Keine Angst vor schlechten Noten – aus ihnen lernt man am meisten.
Ein besonderes Augenmerk im Referendariat: Der Umgang mit den Kommentaren. Diese sind – im Gegensatz zum ersten Examen – als Hilfsmittel in den Klausuren zugelassen. Machen Sie sich schon frühzeitig mit dem Aufbau der Kommentare vertraut und üben Sie frühzeitig, die passenden Fundstellen schnell zu finden. So verlieren Sie im Ernstfall nicht unnötig Zeit. Die wichtigsten "Kommentar-Hacks" und Fundstellen haben wir in unseren Ratgeber aufgenommen.
7. So viele Möglichkeiten werden Sie nie wieder haben
Gericht, Staatsanwaltschaft, Anwaltskanzlei, Verwaltung, Polizei, NGOs, Ausland, internationale Organisationen, Botschaften, UN, BVerfG – das Referendariat ist Ihre Spielwiese! So breit wie jetzt wird Ihr juristischer Horizont nie wieder sein.
Nutzen Sie die Chance, möglichst viel auszuprobieren. Nicht alles muss „lebenslaufoptimiert“ sein – manchmal bringt gerade die unkonventionelle Station neue Ideen oder wertvolle Kontakte. Besonders in der Wahlstation können Sie kreativ werden. Und: Man darf das Ref auch mal genießen – bei aller Anstrengung ist es eine einzigartige Zeit voller neuer Erfahrungen.
Das Buch
Der Survival Guide Rechtsreferendariat ist für alle, die sich auf das Referendariat vorbereiten oder mittendrin stecken. Verständlich, praxisnah und ehrlich gibt er Einblicke in alle Stationen – von Zivilrecht bis Wahlstation – und liefert wertvolle Tipps zum Lernen, Bestehen und Durchstarten. Erfahrungsberichte von Referendarinnen und Referendaren, Ausbilderinnen und Ausbildern sowie Prüferinnen und Prüfern zeigen, was wirklich zählt – und welche Wege nach dem zweiten Staatsexamen offenstehen.
Schäffer
Survival Guide Rechtsreferendariat
Survival Guide Rechtsreferendariat
Wie Du den juristischen Vorbereitungsdienst überlebst
Die Autorin
Dr. Jannina Schäffer ist Gründerin und Chefredakteurin des Online-Magazins „JURios – kuriose Rechtsnachrichten“. Die promovierte Volljuristin ist Lehrbeauftragte für Strafrecht an der FernUni Hagen sowie Redakteurin bei beck-aktuell. Sie ist auch die Herausgeberin des 2024 bei UTB erschienenen Ratgebers „Survival Guide Jura“ und der im Oktober 2025 neu erschienenen Fortsetzung "Survival Guide Rechtsreferendariat".
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Stand: Oktober 2025