Clever zum Ziel: Effektive Strategien für Assessorexamen-Klausuren

Von Generalstaatsanwalt Andreas Wimmer

 

Wie gehe ich bei der Bearbeitung von Assessorexamen-Klausuren vor? Fünf Stunden sind sehr knapp bemessen, die Zeit will gut genutzt sein.

Es kommt auf Zeiteinteilung und systematisches Vorgehen an, weiß Generalstaatsanwalt Andreas Wimmer und gibt zehn wertvolle Ratschläge für die Klausurbearbeitung.

10 Regeln für Assessorexamen-Klausuren

1. Regel: Für die Sachverhaltserfassung Stichpunkte systematisch sortiert herausschreiben!

Den Aufgabentext, der in Assessorexamen-Klausuren durchaus bis zu 20 Seiten lang sein kann, liest man nicht nur durch. Vielmehr schreibt man alles Wesentliche heraus, und zwar systematisch sortiert nach den für die Bearbeitung wichtigen Kategorien:

  • z.B. Zulässigkeit der Klage,
  • Begründetheit der Klage nach einzelnen Komplexen,
  • Übersicht über Daten aufgeteilt nach prozessualen und materiellen Daten.

Ein sehr wichtiger Punkt: Bei der Sachverhaltserfassung sollte man keinesfalls versuchen, Zeit zu sparen. Nur wenn man den Sachverhalt genau und vollständig kennt, kann man die Assessorexamen-Klausur richtig lösen. Ein Fehler in der Sachverhaltserfassung kann dazu führen, dass man einen völlig anderen Fall löst.

 

2. Regel: Bearbeitervermerk zuallererst lesen!

Den Schlüssel für die Beurteilung, ob eine Information für die Lösung wesentlich ist, bildet der Bearbeitervermerk. Er „regiert“ die Klausurbearbeitung und muss daher, auch wenn er – wie meist – am Schluss des Aufgabentextes steht, zuallererst gelesen werden. Dabei ist darauf achten, ob bestimmte Teile der Lösung erlassen sind, z.B. der Tatbestand im Urteil, oder ob es besondere Hinweise gibt.

 

3. Regel: Anträge genau lesen!

Das nächste wichtige Element in Assessorexamen-Klausuren sind nach dem Bearbeitervermerk die Anträge der Parteien im Prozess bzw. im Verwaltungsverfahren. Wenn man die Anträge nicht versteht, kann man den ganzen Sachvortrag nicht richtig würdigen.

Um welche Klageart handelt es sich (Leistungs-, Feststellungs- oder Gestaltungsklage)? Auftauchende Besonderheiten werden bei den Notizen zur Zulässigkeit der Klage sofort notiert.

Ist der Antrag eindeutig oder bedarf er einer Auslegung (häufig bei nicht anwaltlich vertretenen Parteien)?

 

4. Regel: Prozessuale Situation erfassen!

Prinzipiell könnte man alle Informationen über prozessuale und materiell-rechtliche Fragen auf einmal erfassen. Besser ist es aber, zuerst den Sachverhalt oberflächlich, aber mit besonderem Augenmerk für prozessuale Probleme durchzuschauen. Im zweiten, gründlicheren Lesedurchgang widmet man sich dann vorrangig den materiellen Problemen. Beim ersten Lesedurchgang werden neben den erkannten prozessualen Problemen die prozessualen Daten gesondert erfasst, d. h. Eingang der Klage bei Gericht, Einspruchseinlegung etc.

 

5. Regel: Materiellrechtliche Situation exakt erfassen!

Das nun folgende Stadium ist das wichtigste der Sachverhaltserfassung. In der Regel liegt der Schwerpunkt der Assessorexamen-Klausur im materiell-rechtlichen Bereich. Von einer exakten Sachverhaltserfassung hängt der Erfolg der Klausur hier ganz besonders ab, weil der Aufgabentext meist eine Fülle von Informationen in relativer Unordnung enthält.

 

6. Regel: Probleme nach Bearbeitung sofort niederschreiben!

Nach der Sachverhaltserfassung hat man mithilfe der Notizblätter einen Überblick über die Probleme der Arbeit. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man nun weiter vorgeht:

  • Entweder man löst mithilfe des Gesetzes und der Kommentare die wesentlichen Probleme der Arbeit und schreibt erst danach alles auf einmal nieder (so das Vorgehen im ersten Staatsexamen).
  • Oder man löst jeweils ein Problem und schreibt die gefundene Lösung sofort nieder, geht dann zum nächsten Problem über und verfährt dort in gleicher Weise.

Im Assessorexamen müssen sehr viele Rechtsprobleme behandelt werden. Das Gedächtnis wird überfordert, wenn es sich alles auf einmal merken soll (auch anhand von Stichwörtern). Feinheiten in den Argumentationslinien bleiben u. U. auf der Strecke. Die zweite Methode dürfte daher für die Assessorexamen-Klausur weitaus vorteilhafter sein.

 

7. Regel: Viel Platz auf den beschriebenen Seiten lassen!

  • Nach jedem Absatz wird eine Zeile freigelassen.
  • Jeder Absatz soll kurz sein und nicht mehr als zwei bis drei Sätze umfassen.
  • Bei größeren Abschnitten wird immer eine neue Seite angefangen.
  • Auf dem Papier lässt man auf beiden Seiten einen breiten Rand frei.

Vorteile dieser Vorgehensweise sind: Man kann nachträgliche Ergänzungen ohne unschöne Schmierereien auf dem vielen freien Platz unterbringen. Für den Leser wird die Lösung übersichtlicher. Sie lässt sich – in kleinere „Häppchen“ zerlegt – leichter lesen und auch korrigieren. Das wirkt sich auch positiv auf die Bewertung der Arbeit aus. Vor allem die Gliederung und damit die juristische Struktur der Lösung kommt deutlicher zum Vorschein. Wichtig ist es auch, die eigene Gliederung durch großzügige Vergabe von Gliederungspunkten zu betonen.

 

8. Regel: Zeit einteilen!

Fünf Stunden sind in der Regel für die Assessorexamen-Klausur zu kurz bemessen, um eine wirklich perfekte Lösung einer typischen Examensaufgabe zu erarbeiten und niederzulegen. In dieser Situation hilft nichts anderes als eine möglichst geschickte „Verwaltung des Zeitmangels“ durch Einteilung der Zeit und durch strikte Einhaltung des Zeitplans.

Die Ausführungen im Aufgabentext und das Ergebnis der Sachverhaltserfassung in der oben beschriebenen Form geben in der Regel einen relativ guten Überblick über die Gewichtung der einzelnen Probleme. Bei der Zeiteinteilung orientiert man sich unbedingt an den erkannten Schwerpunkten. Dort können verhältnismäßig viele Punkte erworben werden, sodass sich die eingesetzte Zeit ganz besonders lohnt.

 

9. Regel: Zeitlimit bei schwierigen Problemen setzen!

Es kommt immer wieder vor, dass man bei einem bestimmten Problem einfach nicht weiterkommt, sich „festbeißt“, ohne eine zufrieden stellende Lösung zu finden. Hier geht man folgendermaßen vor:

  • Soweit möglich, stellt man die Bearbeitung dieser Frage vorübergehend zurück und wendet sich anderen Problemen zu. Später kommt man dann – womöglich mit neuen Erkenntnissen – auf die Frage zurück.
  • Soweit eine Zurückstellung nicht möglich erscheint, muss man sich ein Zeitlimit von maximal ca. zehn Minuten zur Lösung des Problems setzen. Nach Ablauf dieser Zeit muss die Frage im einen oder anderen Sinn geklärt werden, auch wenn dies nur dürftig begründet werden kann.

Die Punkte, die einem Kandidaten dadurch entgehen, dass er eine ganze Reihe anderer Probleme aus Zeitmangel überhaupt nicht oder völlig unzureichend bearbeitet, werden praktisch nie aufgewogen durch die Punkte, die er für die ausführliche Beantwortung einer entscheidenden Frage bekommt.

 

10. Regel: Tenor sorgfältig formulieren!

Unter den verschiedenen Teilen einer Klausurlösung nimmt der Tenor eines Urteils den wichtigsten Rang ein. In der Regel wird der Korrektor den Tenor auch als Erstes lesen. Es ist daher wichtig, dem Tenor ein besonderes Augenmerk zu widmen. Keinesfalls darf man den Tenor in Zeitnot „hin hudeln“, sonst entstehen leicht grobe Flüchtigkeitsfehler. Solche Fehler entwerten die Arbeit enorm, gerade weil sie den ersten Eindruck des Korrektors von der Arbeit prägen. Ganz besonders wichtig ist es, dass zwischen dem Tenor und den Entscheidungsgründen keine Diskrepanz besteht. Dies gilt generell als schwerer Fehler.

In der Assessorexamen-Klausur gilt außerdem für die letzten Minuten der Arbeitszeit: Es sollten keine gravierenden Änderungen in der Arbeit mehr vorgenommen werden. In der hektischen Schlussphase entsteht oft der Wunsch, eine früher geschriebene Passage – die man jetzt für falsch hält – ganz herauszunehmen und neu zu schreiben. In den meisten Fällen ist die frühere Passage aber tatsächlich richtig (was man in der Hektik leicht übersieht), außerdem stimmt die nachträgliche Änderung der Arbeit mit dem Rest der Gründe nicht überein und führt zu einer inkonsequenten Lösung. Das kann die Arbeit also überflüssigerweise vollständig entwerten.

 

Der Autor

Andreas Wimmer ist Generalstaatsanwalt in Nürnberg

 

Das Buch

Das Buch "Klausurtipps für das Assessorexamen" gibt Referendarinnen und Referendaren das nötige Know-how für Assessorexamen-Klausuren mit Checklisten, Aufbautipps, praktischen Formulierungen und technischen Hinweisen und hilft, typische Fehlerquellen zu vermeiden. Das Buch eignet sich als Wegweiser zu einer optimalen Klausurtechnik, zugleich aber auch zur Vorbereitung auf praktische Fragen aus der schriftlichen und mündlichen Prüfung.

 

sofort lieferbar!

27,90 €

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