Stiftungsrechtsreform 2023: Änderungen und Herausforderungen im Überblick

C.H.BECK-Autorin und Rechtsanwältin Dr. Katharina Gollan schreibt über die Änderungen durch die Stiftungsrechtsreform 2023. Sie ist u.a. Autorin im praxisnahen Handbuch Richter, Stiftungsrecht.

Die Bedeutung des Stiftungswesens ist in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen – heute existieren fast 25.000 rechtsfähige Stiftungen. Einige von ihnen sind Jahrhunderte alt, die meisten wurden jedoch in den letzten zwanzig Jahren errichtet. Die meisten Stiftungen sind gemeinnützig, etwa ein Zehntel fördert hingegen privatnützige Zwecke. Teils erwirtschaften sie lediglich geringfügige Erträge und werden durch engagierte Ehrenamtler geleitet, teils verfügen sie aber auch über Milliardenvermögen sowie hauptamtliche Governance-Strukturen und sind bedeutende Arbeitgeber in ihrer Region. In diesem Umfeld tritt am 1.7.2023 die umfangreichste Reform seit Kodifizierung der Stiftung bürgerlichen Rechts in Kraft (BGBl. I 2021, 2947 ff.). Aus bisher neun stiftungsrechtlichen Paragraphen im BGB werden künftig 36. Vorausgegangen waren jahrelange Vorbereitungen.

Seit 2014 erarbeitete eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht unter Federführung des Bundesministeriums für Justiz sowie unter Beteiligung der Bundesländer ihre Vorschläge. Im Sommer 2021 konnte das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen werden.

Stiftungsrechtsreform 2023: Was ist die zentrale Änderung?

Zentrales Anliegen der Reform ist die Vereinheitlichung des Stiftungszivilrechts durch Änderung und Ergänzung der Vorschriften des BGB. Bislang enthalten viele Landesstiftungsgesetze zivilrechtliche Regelungen, etwa zum Stifterwillen, zur Vermögensverwaltung, zur Organhaftung oder zu den Voraussetzungen für Strukturänderungen. Die Unsicherheit, ob bzw. in welchem Umfang diese im Hinblick auf den grundsätzlichen Vorrang des Bundesrechts verfassungsrechtlich wirksam sind, soll durch die Reform beseitigt, Streitfragen sollen geklärt werden. Dabei emanzipiert sich das Stiftungsrecht von seinem „großen Bruder“, dem Vereinsrecht, indem Verweise auf §§ 26 ff. BGB teils durch eigenständige Regelungen in den §§ 80 ff. BGB nF ersetzt werden.

Was bewirkt die Einführung des Stiftungsregisters?

Ein wichtiger Baustein der Reform ist die Einrichtung eines Stiftungsregisters zum 1.1.2026 (vgl. § 82b BGB nF iVm StiftRG). Es wird – anders als die Handelsregister – zwar lediglich mit negativer Publizität ausgestattet sein. Die Stiftungspraxis verbindet mit dem Register aber dennoch die Hoffnung auf mehr belastbare Informationen, denn die derzeit bestehenden Stiftungsverzeichnisse der Länder sind nicht immer aussagekräftig und verlässlich, und der Ausweis von Stiftungen im Rechtsverkehr durch sogenannte Vertretungsbescheinigungen erweist sich als unzulänglich.

Zugleich wird durch das Register der Compliance-Aufwand steigen: Neben Eintragungen zum Transparenzregister und ggf. weiteren Registern (Handelsregister; Lobbyregister; Zuwendungsempfängerregister ab 1.1.2024) haben Stiftungsvorstände künftig auch Anmeldungen zum Stiftungsregister vorzunehmen.

Förderale Besonderheiten bei der Stiftungsaufsicht bleiben

Da das Bürgerliche Gesetzbuch das Stiftungszivilrecht abschließend regelt, sind die Landesstiftungsgesetze bis zum 1.7.2023 anzupassen. Sie regeln künftig vor allem noch die Anerkennung von bzw. die Aufsicht über Stiftungen. Nicht alle Bundesländer haben dabei das Ziel der bundesrechtlichen Vereinheitlichung zur Leitschnur ihrer Gesetzgebung gemacht. Es zeichnet sich ab, dass das Stiftungswesen weiterhin durch große föderale Unterschiede geprägt sein wird – insbesondere auch im Bereich der privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakte. Möglicherweise hätte eine Fortsetzung des Austauschs unter den Ländern in einer „Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht“ zu mehr Einheitlichkeit auch im Bereich des öffentlichen Rechts geführt.

Nach der Stiftungsrechtsreform ist vor der Reform

Bereits heute steht fest, dass das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ im Jahr 2025 auf den Prüfstand kommt. Im Rahmen der vom Gesetzgeber angeordneten Evaluation wird u.a. die unerfüllte Forderung nach verbessertem Rechtsschutz erneut zu diskutieren sein, denn auch nach der Reform fehlen zum Teil die prozessualen Möglichkeiten, Streitigkeiten einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.

Überdies birgt die zeitnahe Beurteilung der Reform die Chance, in einem zweiten Schritt Unklarheiten zu beseitigen. Wo die Reform Verbesserungen bringt und wo die Erwartungen an einen verlässlichen Rechtsrahmen noch nicht erfüllt sind, werden nicht zuletzt Rechtsprechung und Praxis der nächsten Jahre zeigen – auf Basis der ab dem 1.7.2023 geltenden Neuregelung.

 

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