Klausur nach der Schuldrechtsreform

von Dr. Tobias Langkamp

 

Die Neuregelungen zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie und der Digitale-Inhalte-Richtlinie, die zum 01.01.2022 in Kraft getreten sind, führen zur umfangreichsten Reform des Schuldrechts seit der Schuldrechtsreform 2002.

Die neuen Vorschriften betreffen die Kernbereiche des Kaufrechts und des Allgemeinen Teils des Schuldrechts und damit sehr relevanten Prüfungsstoff für das Studium und für beide Examina.

Dabei gilt es in einer Klausur vor allem die folgenden Punkte zu beachten:

 

Fünf Punkte, die Du bei einer Klausur nach der Schuldrechtsreform unbedingt beachten solltest

1. Sachmangelbegriff

Der Begriff des Sachmangels ist wie bisher in § 434 BGB normiert. Allerdings sieht § 434 Abs. 1 BGB – anders als nach dem bisherigen Recht, das den Vorrang der vereinbarten Beschaffenheit vorsah – nunmehr einen Gleichrang der subjektiven Anforderungen, der objektiven Anforderungen und der Montageanforderungen vor. Trotz dieses Gleichrangs sollte bei der Prüfung eines etwaigen Sachmangels weiterhin vorrangig das Abweichen von den subjektiven Anforderungen erörtert werden. Dafür spricht der Wortlaut des § 434 Abs. 3 BGB zu den objektiven Anforderungen, nämlich die Formulierung „soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde“.

 

2. Verpflichtung zu Aktualisierungen

Die in den §§ 327 f, 475 b, 475 c BGB geregelte selbstständige Verpflichtung des Unternehmers zu Aktualisierungen ist eine der wesentlichen und kompliziertesten Neuerungen durch die Schulrechtsreform 2022. Danach ist der Unternehmer auch bei Verträgen, die sich in einem einmaligen Leistungsaustausch erschöpfen, auch nach der Bereitstellung verpflichtet, Aktualisierungen zur Aufrechterhaltung der Mangelfreiheit des digitalen Produkts bereitzustellen. Diese Abkehr von der Übergabe oder Lieferung als maßgeblichen Zeitpunkt ist ein Paradigmenwechsel.

 

3. Zuordnung zu einem bestimmten Vertragstyp

Die §§ 327 ff. BGB regeln keinen neuen Vertragstyp, es handelt sich vielmehr um typenübergreifende Vorschriften. Deshalb müssen (auch gerade in der Klausur) die Verträge über digitale Produkte einem bestimmten Vertragstyp zugeordnet oder nach den Regeln über atypische oder gemischt-typische Verträge behandelt werden. Die Bestimmungen der besonderen Vertragstypen sind dann für alle Rechtsfragen einschlägig, die nicht durch die §§ 327 ff. BGB quasi vor die Klammer gezogen worden sind. Da die Rechte des Verbrauchers bei Mängeln und auch bei anderen Leistungsstörungen oftmals eigenständig bei den einzelnen Vertragstypen geregelt sind, gibt es neu eingeführte Vorschriften, die jeweils dafür sorgen, dass sich im Kollisionsfall die Regelungen der §§ 327 ff. BGB durchsetzen:

  • § 453, 475 a BGB (Kaufrecht),
  • 516 a BGB (Schenkungsrecht),
  • § 548 a, 578 b BGB (Mietrecht) und
  • § 620, 650 BGB (Dienst- und Werkvertragsrecht).

 

4. „Dreiteilung“ des Sachmangelrechts

Durch die Neuregelungen im Kaufrecht und die Einführung der §§ 327 ff. kommt es bei Kaufverträgen zu einer „Dreiteilung“ des Sachmangelrechts:

  • Für einfache analoge Kaufgegenstände (z.B. Kauf eines Tisches) bestimmt sich die Sachmangelfreiheit allein nach 434 BGB; gleiches gilt für alle Kaufverträge über digitale Elemente, die kein Verbrauchervertrag sind, also Verträge zwischen Unternehmern (B2B), zwischen Verbrauchern (C2C) und Kaufverträge, bei denen der Verkäufer ein Verbraucher ist (C2B).
  • Für Verbrauchsgüterkaufverträge über Waren mit digitalen Elementen (z.B. Kauf eines Notebooks mit Betriebssystem), bei denen gemäß 327 a Abs. 3 S. 1 BGB eine qualifizierte Verbindung zwischen Kaufsache und digitalem Element vorliegt, gilt ebenfalls § 434 BGB, allerdings ergänzt um die Regelungen der §§ 475 b, 475 c BGB.
  • Liegt bei einem Verbrauchervertrag keine qualifizierte Verbindung zwischen Kaufsache und digitalem Element vor (z.B. Kauf eines Notebooks mit Bildbearbeitungsprogramm), bestimmt sich gemäß 327 a Abs. 2 S. 2 BGB die Mangelfreiheit des digitalen Elements nach §§ 327 ff. BGB; auf die Kaufsache ist dann § 434 BGB anzuwenden.

Diese Dreiteilung bringt für die Prüfung einige Herausforderungen und vor allem Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich.

 

5. Abgrenzungsfragen

Für die Abgrenzung zwischen den §§ 475 b, 475 c BGB einerseits und den §§ 327 ff. BGB andererseits kommt es maßgebend darauf an, ob die Ware ihre Funktion ohne das digitale Produkt nicht erfüllen kann, was aber gerade bei smarten Produkten oft schwierig zu beurteilen ist. Denn ein smarter Kühlschrank ist in seiner Grundfunktion (Kühlen) beim Fehlen des digitalen Elements (Internetzugang) nicht beeinträchtigt, er verliert gleichwohl seine wesentliche Prägung, weil er ohne Internetzugang eben nicht mehr „smart“ ist.

 

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Der Autor

Dr. Tobias Langkamp,

Rechtsanwalt und Repetitor, Herausgeber der Zeitschrift RechtsprechungsÜbersicht (RÜ)

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