Neuer Senat am BGH: Die enorm gewachsene Bedeutung des Kartellrechts

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Peter Meier-Beck, Vorsitzender Richter des neuen Kartellsenats am BGH und Mitherausgeber des »Münchener Kommentars zum Wettbewerbsrecht«.

 

Herr Professor Meier-Beck, beim BGH wurde zum 1. September 2019 erstmals ein eigenständiger Kartellsenat eingerichtet. Warum, und wie kam es dazu?

Der Kartellsenat war bislang einer von insgesamt acht Spezialsenaten, deren Mitglieder aber überwiegend auch für andere Aufgaben zuständig waren. Dieses Modell war nicht mehr zeitgemäß. Die enorm gewachsene Bedeutung des Kartellrechts und des Energiewirtschaftsrechts erforderte einen »Vollzeitsenat«. Die Einrichtung des neuen XIII. Zivilsenats ermöglichte es, diesen überwiegend mit Richtern zu besetzen, die nur diesem Senat und dem Kartellsenat angehören. Kartellsenat und XIII. Zivilsenat bilden damit personell und arbeitstechnisch eine Einheit und den gewünschten und notwendigen »Vollzeitkartellsenat«.

 

Wofür ist der neue Senat zuständig?

Der neue Senat hat als Kartellsenat alle gesetzlich bestimmten Aufgaben des »alten« Kartellsenats übernommen, ist also für Zivilverfahren, Verwaltungsverfahren und Bußgeldverfahren sowohl in Kartellsachen als auch in Energiewirtschaftssachen zu-ständig. Als XIII. Zivilsenat ist der Senat für Streitfälle nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und für Vergabesachen sowie für Freiheitsentziehungssachen zuständig.

 

Wie macht sich der neue Senat in der Arbeit des BGH bemerkbar?

Es hatte natürlich auch Vorteile, dass die Mitglieder des Kartellsenats auch auf angrenzenden Rechtsgebieten gearbeitet haben. Denn es gibt zahlreiche Berührungspunkte, etwa zum Immaterialgüterrecht. Wir versuchen, dem dadurch Rechnung zu tragen, dass neben fünf Richtern, die nur dem Kartellsenat und XIII. Zivilsenat angehören, in Anknüpfung an die alte Besetzung vier Kollegen mit einem Teil ihrer Arbeitskraft dabei sind. Unter den »Vollmitgliedern« haben wir aber auch drei, die erst seit 2019 dem BGH angehören. Der neue Kartellsenat ist dadurch auch ein sehr junger Senat –wenn man von seinem Vorsitzenden absieht.

 

Sie sind der erste Vorsitzende des neuen Kartellsenats – welches Verständnis haben Sie von Ihrer Aufgabe und der Aufgabe des Senats?

Wir können die wünschenswerte Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch die ständige und fortlaufende Zusammenarbeit und die Konzentration auf diesen Senat leichter erreichen. Ich sehe es in erster Linie als meine Aufgabe an, dem Senat das Zusammenwachsen und die gemeinsame Wahrnehmung seiner Aufgaben zu erleichtern.

 

Wie wird sich die Behandlung des Kartellrechts und der kartell- und vergaberechtlichen Verfahren am BGH verändern? Ist mit einer Verkürzung der Verfahrensdauern zu rechnen?

Es wird sich nichts Grundsätzliches ändern, aber wir sind mit der neuen Struktur deutlich flexibler, was die Verfahrensgestaltung und vor allem die Terminierung anbelangt. Dies wird sich hoffentlich zum Teil auch in einer kürzeren Verfahrensdauer niederschlagen.

 

Das Kartellrecht entwickelt sich dynamisch weiter. Ihr Kommentar, der Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, erläutert das neue Kartellschadensersatzrecht und vieles mehr. Doch die nächste Reform steht schon vor der Tür. Welche allgemeinen Entwicklungslinien sehen Sie im Kartellrecht?

Die große Dynamik des Kartellrechts macht neben der wirtschaftlichen Bedeutung den besonderen Reiz der Befassung mit der Materie aus. Es geht immer darum, den rechtlichen Rahmen so auszugestalten, dass er zu ökonomisch möglichst »richtigen« und gegebenenfalls wettbewerbspolitisch gewollten Ergebnissen führt, gleichzeitig aber für die Unternehmen wie für die Kartellbehörden und -gerichte handhabbar bleibt. Nach einer stärkeren Betonung der Ökonomie erleben wir vielleicht derzeit wieder eine Rückbesinnung auf den Wert ausbalancierter und einigermaßen rechtssicher handhabbarer rechtlicher Bewertungen. Für diese Balance ist der Dialog zwischen Rechtsprechung und Wissenschaft besonders wichtig.

 

Spricht man am BGH eher vom »Kartellrecht« oder vom »Wettbewerbsrecht«?

Das ist unterschiedlich. Persönlich bevorzuge ich den in Europa gängigeren – und die umfassende Bedeutung des Rechtsgebiets besser beschreibenden – Begriff des Wettbewerbsrechts.

 

Prof. Dr. Peter Meier-Beck ist Vorsitzender Richter des neuen Kartellsenats am BGH und Mitherausgeber des »Münchener Kommentars zum Wettbewerbsrecht«.

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