StaRUG: Über 100 neue Paragrafen – viel Beratungsbedarf

Der Insolvenzrechtler Prof. Dr. Stephan Madaus im Interview zum neuen
Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG).

 

Auf die deutsche Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie hat eine ganze Branche gewartet. Wie wird das StaRUG die Sanierungskultur in Deutschland verändern?

Prof. Dr. Stephan Madaus: Das StaRUG ist mit seinen über 100 Paragrafen eine entscheidende Erweiterung des Instrumentenkastens, den wir jetzt für Restrukturierung und Sanierung nutzen können. Es gibt für strauchelnde Unternehmen neue Möglichkeiten. Zum Beispiel muss mit den Gläubigern keine Einstimmigkeit über ein Sanierungskonzept erzielt werden, um eine Insolvenz zu verhindern. Das Gesetz kann gerade jetzt auch Unternehmen helfen, die sich in der Corona- Pandemie übermäßig verschuldet haben, um ihre Liquidität zu sichern. Das fängt bei der Lufthansa oder TUI an und endet bei kleinen und mittelständischen Unternehmen.


Während des Gesetzgebungsprozesses wurde mehrfach kritisiert, das StaRUG würde zu wenig die Interessen der Gläubiger berücksichtigen. Stimmt das?

Madaus: Ja und nein. Das Gesetz ist hier konzeptionell etwas unentschlossen – einerseits will der Gesetzgeber notleidenden Unternehmen schnell helfen, muss also schuldnerfreundlich sein; andererseits kann die angestrebte Sanierung nicht ohne breite Gläubigerunterstützung funktionieren. Immerhin gibt es für den Kern des StaRUG, den Restrukturierungsplan, Klarheit. Hier sind die Gläubigerinteressen definitiv sehr stark vertreten. Wir sprechen von einer notwendigen Zustimmung von 75 Prozent je Plangruppe.


Aber?

Madaus: Bei der Rechtfertigung der begleitenden Schutzinstrumente gibt es vielleicht einen zu starken Fokus auf den Schuldner, also darauf, ob dieser noch nicht insolvent, aber zumindest drohend zahlungsunfähig ist. Wer als Schuldner diese Voraussetzung erfüllt, bekommt quasi alles, was er auch nach § 18 InsO im Insolvenzverfahren bekommen würde und das zum Teil ohne große Abwägung mit den Gläubigerinteressen.


Können Sie im StaRUG ein Beispiel nennen?

Madaus: Ein Schuldner kann etwa eine Stabilisierungsanordnung erreichen, die sich sogar gegen nahezu alle Gläubiger richten kann, ohne dass überhaupt ein Gläubiger anzuhören ist – geschweige denn, dass sich Gläubigerinteressen in den Anordnungsvoraussetzungen wiederfinden, diese kommen erst bei den Aufhebungsvoraussetzungen zum Zuge. Das widerspricht den Grundgedanken des Vollstreckungsrechts, wie wir sie in § 765a ZPO finden, und lässt sich allein in der Sondersituation der Insolvenz rechtfertigen. Ob die im präventiven Rahmen über § 18 InsO und damit bis zu zwei Jahre vor Insolvenzreife vermutet werden darf, ist ein kritischer Punkt.

 

Welche Rolle spielen Berater bei den neuen Sanierungsinstrumenten?

Madaus: Je tiefer die Krise, desto höher der Beratungsbedarf. Das StaRUG ist sehr komplex. Ein typischer Geschäftsleiter kann die notwendige Kombination aus betriebswirtschaftlichen und juristischen Kenntnissen in dieser benötigten Tiefe gar nicht mitbringen. Das ist auch nicht seine Aufgabe. Ohne Beratung wird es also kaum gehen.


Wo drohen rechtliche Fallstricke?

Madaus: Ganz klar in den Details für die einzelnen Instrumente. Der Gesetzgeber hat alles sehr dezidiert ausgeführt, scheint dabei aber leider auch Raum für Irritationen zu schaffen. So finden sich etwa für das Kerninstrument des Rahmens – den Plan – offensichtlich verschiedene Fertigungsstufen, die im StaRUG mit dem »Restrukturierungsplan«, dem »Restrukturierungskonzept«, der »Restrukturierungsplanung«, dem »Entwurf eines Restrukturierungsplans« und dem »Entwurf des Vorhabens« bezeichnet werden, und bei verschiedenen Instrumenten relevant werden. Hier wird wohl erst die Rechtsprechung eine Begriffsbildung finalisieren können. Es gilt also für das StaRUG wie bei allen größeren Rechtsreformen: Es gibt noch keine belastbaren Routen für die Praxis im Dschungel des neuen Rechts, die die Beteiligten belastbar gehen können. Beratung und Kommunikation mit dem Gericht sind wichtig.

 

Wer benötigt dringend Fachliteratur zum StaRUG?

Madaus: Natürlich einerseits die Berater – Schuldnerwie Gläubigerberater. Sie müssen schnell wissen, wie sie die Anträge und Konzepte strukturieren, um das StaRUG nutzen zu dürfen. Unmittelbar gefragt sind auch die Gerichte, die ebenfalls das Für und Wider von Auslegungsmöglichkeiten kennen müssen. Spannend wird jetzt, wie schnell die Justiz die Strukturen für die Restrukturierungsgerichte inklusive Fortbildungsangeboten aufbaut – aber auch, wie sich der Kreis der Berater entwickelt.


Inwiefern?

Madaus: Das StaRUG sieht einen Restrukturierungsbeauftragten vor, der durch das Gericht eingesetzt wird und bei den Gerichten gelistet sein muss. Wir haben hier eine besondere Amtsposition, die wahrscheinlich nicht von den klassischen Beratern besetzt wird, sondern von einem neuen Personenkreis,  möglicherweise zunächst von klassischen Verwaltern, möglicherweise aber auch von Sanierungsmoderatoren und Mediatoren. Für diese wird die Literatur zum StaRUG dann ebenfalls unverzichtbar.

 

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