Mietrechtsanpassungsgesetz: Laut gebellt – aber nicht gebissen!

Ist die Mietrechtsreform ein großer Wurf? Eine Analyse von Prof. Dr. Ulf Börstinghaus, Richter am Amtsgericht.

 

Am 29.11.2018 hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur Ergänzung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn und zur Anpassung der Regelungen über die Modernisierung der Mietsache - Mietrechtsanpassungsgesetz“ in den vorweihnachtlichen Gabenkorb gelegt. Die Geschichte dieses Gesetzes spiegelt die beschränkte Handlungsfähigkeit der Großen Koalition exemplarisch wider.

Bereits im vorletzten Koalitionsvertrag waren Teile der Änderungen vereinbart worden. Es gab auch einen ersten Textentwurf des BMJV, der aber über das Stadium der Ressortabstimmung nicht herausgekommen war, da er insbesondere den CDU-Ministerien zu weit ging.

 

Wie der gesamte Start dieser eher auf Selbstdarstellung angelegten erneuten Großen Koalition, war dann auch der Beginn des erneuten Versuchs, die vereinbarten Regelungen ins BGBl zu bekommen, holperig.

Unter dem 4.6.2018 hat die Justizministerin den Gesetzentwurf den Medien vorgestellt – bevor die Ressortabstimmung stattgefunden hatte. Der entsprechende Widerspruch des Koalitionspartners gegen das Verfahren und den teilweise über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinausgehenden Inhalt des Entwurfs folgte auf dem Fuße.

Eine dementsprechend abgespeckte Version wurde dann vom Bundeskabinett verabschiedet. Am 7.11.2018 fand eine Sachverständigenanhörung statt, deren Tenor trotz unterschiedlicher Gesamteinschätzung der Sachverständigen unter anderem war, dass die Regelungen so einfach wie möglich sein sollen.

 

Komplexer Kompromiss

Deshalb staunte die Fachwelt nicht schlecht, als zwei Tage vor Verabschiedung des Gesetzes der Ausschussbericht mit dem endgültigen Gesetzestext vorlag. Kleinteilig bis in die letzte Alternative werden einzelne Fallgestaltungen durchnormiert.

Man trauert den Zielvorgaben der letzten großen Mietrechtsreform nach, bei der die Vorgabe lautete, dass kein Paragraf mehr als drei Absätze und kein Absatz mehr als drei Sätze haben sollte; denn es sollte erreicht werden, dass Mieter und Vermieter ihre Probleme ohne fachlichen Rat im Wesentlichen selbst lösen können. Davon hat man sich im Zwang des politischen Kompromisses, um der jeweiligen eigenen Klientel etwas bieten zu können, nun wieder endgültig verabschiedet.

 

Regelungen widersprechen dem Anstandsgefühl der Mehrheit der Mieter

Das sozialdemokratische Ziel, die Mietpreisbremse nachzuschärfen, wird durch die zusätzlichen Informationspflichten für den Vermieter im Zweifel schon deshalb nicht erreicht, da die Durchsetzung der Mietpreisbegrenzung weiter den Mietern überlassen bleibt. Einen Vertrag zu unterschreiben, um dann kurze Zeit später zu sagen, dass man sich daran nicht halte, widerspricht dem Anstandsgefühl der Mehrheit der Mieter. Durch den Rechtsausschuss wurden die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die neuen Informationspflichten nochmals abgeschwächt, indem Vermietern gestattet wurde, den Mangel nachträglich zu heilen, so dass die Fehlerkonsequenz maximal für zwei Jahre eintreten kann.

 

Abschaffung der Rüge in der Praxis wirkungslos

Weil es als hinderlich für die Mietpreisbremse angesehen wurde, dass der Mieter die Höhe der Miete qualifiziert – also unter Angaben von Gründen – rügen musste, haben sowohl die Bundesregierung bereits im Entwurf und jetzt der Rechtsausschuss hiervon zwei Ausnahmen eingeführt, die die Abschaffung der Rüge in der Praxis wirkungslos machen wird.

Zum einen bleibt die Pflicht zur qualifizierten Rüge für Verträge, die bis 31.12.2018 abgeschlossen wurden, bestehen, so dass bei der Restlaufzeit der derzeitigen Landesverordnungen von nach circa eineinhalb bis zwei Jahren nur wenige Mieter in den Genuss der Änderungen kommen dürften. Zum anderen müssen auch diese Mieter weiter qualifiziert rügen, wenn der Vermieter sich im Mietvertrag auf einen Ausnahmetatbestand beruft, was der Regelfall sein wird.

 

Kleinteilige Änderungen

Die Änderungen bei der Modernisierungsmieterhöhung sind außer der nun doch flächendeckenden Absenkung der Modernisierungsumlage von 11 Prozent auf 8 Prozent ebenfalls sehr kleinteilig – mit mehreren Ausnahmen von der Ausnahme. Ob das sogenannte „vereinfachte Verfahren“ demgegenüber wirklich in der Praxis angenommen wird, bleibt abzuwarten. Die zahlreichen Restriktionen, die damit verbunden sind, machen es für Vermieter im Ergebnis wahrscheinlich doch wieder eher uninteressant.

Die wirklichen Probleme in der mietrechtlichen Praxis werden durch das Gesetz nicht gelöst, genauso wenig wie die Ursache für steigenden Mieten –  der Wohnungsmangel –  beseitigt wird. 

Als Richter hätte ich mir zum Beispiel eine handhabbare Regelung der Auswirkungen einer Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung gewünscht, statt die für die Parteien und ihre Anwälte wenig prognostizierbare Einzelfallentscheidung, die der BGH fordert.

Ob stattdessen ein Sonderrecht für vermietende Wohnungseigentümer tatsächlich erforderlich ist, kann aus der Sicht der Praxis nur verneint werden. Die Fälle sind sehr selten und beruhen meist auf vermeidbaren Fehlern. Schlimmer geht aber immer, deshalb bleibt abzuwarten, was der Gesetzgeber sich mit der bereits angekündigten zweiten Tranche der Mietrechtsänderungen im kommenden Jahr alles noch überlegt.

 

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Der Autor

Prof. Dr. Ulf Börstinghaus, Aufsicht führender Richter am Amtsgericht Dortmund, Dezernent einer allgemeinen Zivilabteilung und einer WEG-Abteilung, sowie Honorarprofessor an der Universität Bielefeld

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